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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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eingeladen. Sie rief an, um abzusagen, und war erleichtert, als der Anrufbeantworter ansprang.
     
    Die ach so leichte Camille Fauque machte sich auf. Das einzige, was sie auf dem Asphalt hielt, waren das Gewicht ihres Rucksacks und, nicht ganz so leicht zu benennen, die Schotter- und Kieselsteine, die sich in ihr angesammelt hatten. Das hätte sie dem Amtsarzt vorhin erzählen sollen. Wenn sie Lust dazu gehabt hätte … Oder die Kraft? Oder auch die Zeit? Die Zeit vor allem, beruhigte sie sich, ohne so recht daran glauben zu können. Die Zeit war etwas, das sie nicht länger zu fassen vermochte. Zu viele Wochen und Monate waren vergangen, ohne daß sie, in welcher Form auch immer, daran teilgehabt hätte, und ihre Tirade von vorhin, ihr absurder Monolog, mit dem sie sich einzureden versucht hatte, daß sie ebenso fleißig war wie alle anderen, war die reinste Lüge.
    Welches Wort hatte sie noch mal verwendet? »Lebendig«, oder? Lächerlich, Camille Fauque war nicht lebendig.
     
    Camille Fauque war ein Gespenst, das nachts arbeitete und tagsüber Steine hamsterte. Das sich langsam fortbewegte, wenig sprach und sich elegant verdrückte.
    Camille Fauque war eine junge Frau, die man nur von hinten sah, zerbrechlich, nicht greifbar.
     
    Man durfte dem Auftritt von vorhin nicht trauen, der den Anschein großer Leichtigkeit hatte. So einfach. So unbefangen. Camille Fauque log. Sie begnügte sich damit, andere hinters Licht zu führen, sie zwang sich, nötigte sich und antwortete mit »hier«, um nicht aufzufallen.
     
    Trotzdem dachte sie noch einmal an den Arzt. Seine Handynummer war ihr völlig schnuppe, aber sie überlegte, ob sie vielleicht eine Chance hatte vorbeiziehen lassen. Er wirkte geduldig, dieser Mensch, und aufmerksamer als die anderen. Vielleicht hätte sie … Sie hätte auch beinahe … Sie war müde, sie hätte ebenfalls die Ellbogen auf den Schreibtisch stützen und ihm die Wahrheit erzählen sollen. Ihm sagen, daß sie nichts mehr aß oder so wenig, weil die Steine den ganzen Platz in ihrem Bauch einnahmen. Daß sie jeden Tag mit dem Gefühl aufwachte, auf Kies zu kauen, daß sie noch nicht die Augen geöffnet hatte und schon erstickte. Daß die Welt um sie herum schon keine Rolle mehr spielte und daß jeder Tag ein großes Gewicht war, das sie nicht hochzuheben vermochte. Also weinte sie. Nicht, weil sie traurig war, sondern um alles hinter sich zu bringen. Die Tränen, die Flüssigkeit halfen ihr schließlich, die Steine zu verdauen und wieder durchzuatmen.
    Hätte er ihr zugehört? Hätte er sie verstanden? Natürlich. Und genau deshalb hatte sie geschwiegen.
     
    Sie wollte nicht wie ihre Mutter enden. Sie weigerte sich, ins selbe Boot zu steigen. Wenn sie anfing, wußte sie nicht, wohin es sie führen könnte. Zu weit, viel zu weit, zu tief und ins Dunkel. Diesmal hatte sie nicht die Kraft, sich umzudrehen.
    Andere hinters Licht zu führen, ja, aber nicht sich umzudrehen.
     
    Sie betrat den Supermarkt bei sich im Haus und zwang sich, ein paar Lebensmittel zu kaufen. Sie tat es dem wohlwollenden jungen Arzt zuliebe und Mamadous Lachen. Das laute Lachen dieser Frau, die bescheuerte Arbeit bei Proclean, die Bredart, die abstrusen Geschichten von Carine, die Anschisse, die geschnorrten Zigaretten, die körperliche Erschöpfung, die albernen Lachkrämpfe und die bisweilen feindselige Stimmung, das alles half ihr zu leben. Half ihr zu leben, ja.
    Sie strich mehrfach um die Regale, bevor sie sich für Bananen, vier Joghurts und zwei Flaschen Wasser entschied.
     
    Da sah sie den komischen Kauz aus ihrem Haus. Den seltsamen großen Jungen, dessen Brille mit Pflaster geflickt war, der Hochwasserhosen trug und die Umgangsformen eines Marsmenschen an den Tag legte. Kaum hatte er einen Artikel in die Hand genommen, stellte er ihn wieder hin, ging ein paar Schritte weiter, besann sich eines Besseren, nahm ihn wieder in die Hand, schüttelte den Kopf und verließ überstürzt die Schlange an der Kasse, wenn er schon an der Reihe war, um ihn wieder zurückzustellen. Einmal hatte sie ihn sogar aus dem Laden kommen und wieder hineingehen sehen, um das Glas Mayonnaise zu kaufen, das er sich kurz zuvor versagt hatte. Ein trauriger Clown, der zur allgemeinen Belustigung beitrug, vor den Verkäuferinnen stotterte und ihr das Herz zerriß.
     
    Sie begegnete ihm mitunter auf der Straße oder vor der Toreinfahrt, und alles war nur mehr Komplikation, innerer Aufruhr und Beklemmung. Auch diesmal stand er stöhnend

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