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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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vor dem Zahlencode an der Tür.
    »Gibt’s Probleme?« fragte sie.
    »Ah! Oh! Eh! Pardon!« Er verrenkte sich die Hände. »Guten Abend, Mademoiselle, entschuldigen Sie bitte, daß ich … ah … Sie belästige, ich … Ich belästige Sie, nicht wahr?«
    Schrecklich war das. Sie wußte nie, ob sie lachen oder Mitleid haben sollte. Diese krankhafte Scheu, seine hochgeschraubte Art zu reden, die Wörter, die er wählte, und seine Bewegungen, die von einer anderen Welt zu kommen schienen, machten sie entsetzlich beklommen.
    »Nein, nein, kein Problem! Haben Sie den Code vergessen?«
    »Teufel, nein. Vielmehr, nicht daß ich wüßte … vielmehr, ich … ich habe die Dinge noch nicht aus dieser Warte betrachtet. Mein Gott, ich …«
    »Sie haben ihn vielleicht geändert?«
    »Ist das Ihr Ernst?« fragte er, als würde sie ihm das Ende der Welt verkünden.
    »Das sehen wir gleich … 342B7 …«
    Das Klicken der Tür war zu hören.
    »Oh, ich bin beschämt … ich bin beschämt … Ich … Genau das habe ich auch gedrückt. Das verstehe ich nicht.«
    »Kein Problem«, sagte sie und stemmte sich gegen die Tür.
     
    Er machte eine abrupte Bewegung, um an ihrer Stelle die Tür aufzustoßen, verfehlte jedoch, als er mit dem Arm über sie greifen wollte, sein Ziel und verpaßte ihr einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf.
     
    »Oh Schande! Ich habe Ihnen doch nicht weh getan? Was bin ich aber auch ungeschickt, wahrhaftig, ich bitte Sie um Verzeihung … Ich …«
    »Kein Problem«, wiederholte sie zum dritten Mal.
    Er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Hm«, bat sie ihn schließlich, »könnten Sie Ihren Fuß anheben, Sie zerquetschen mir gerade den Knöchel, und das tut furchtbar weh.«
    Sie lachte. Ein nervöses Lachen.
     
    Als sie drinnen waren, eilte er zur Glastür voraus, damit sie ungehindert durchgehen konnte:
    »Tut mir leid, aber ich muß dort lang«, sagte sie bedauernd und zeigte auf den Hinterhof.
    »Wohnen Sie im Hof?«
    »Eh … nicht direkt … eher unterm Dach.«
    »Ah! Hervorragend.« Er zerrte am Henkel seiner Tasche, der sich am Messinggriff verfangen hatte. »Das … das ist gewiß sehr angenehm.«
    »Eh … ja«, sagte sie mit einer Grimasse und ging rasch weiter, »so kann man es auch sehen.«
    »Einen schönen Abend noch, Mademoiselle«, rief er ihr hinterher, »und … grüßen Sie Ihre Eltern von mir!«
     
    Ihre Eltern. Der Typ war wohl debil. Sie erinnerte sich, wie sie ihn einmal nachts, denn sie kam für gewöhnlich mitten in der Nacht nach Hause, im Eingangsbereich überrascht hatte, im Schlafanzug, mit Jagdstiefeln und einer Dose Trockenfutter in der Hand. Er war ganz aufgewühlt und fragte sie, ob sie nicht eine Katze gesehen hätte. Sie verneinte und ging auf der Suche nach besagtem Kater ein paar Schritte mit ihm durch den Hof. »Wie sieht er denn aus?« erkundigte sie sich, »Bedaure, das weiß ich nicht«, »Sie wissen nicht, wie Ihre Katze aussieht?« Er stand wie angewurzelt da: »Wie soll ich das wissen? Ich habe noch nie eine Katze gehabt!« Sie war völlig verdutzt gewesen und hatte ihn kopfschüttelnd stehenlassen. Der Kerl war entschieden zu durchgeknallt.
     
    »Die bessere Gegend.« Sie dachte noch einmal an Carines Kommentar, als sie die erste von hundertzweiundsiebzig Stufen erklomm, die sie von ihrem Verschlag trennten. Die bessere Gegend, stimmt schon. Sie wohnte im siebten Stock der Hintertreppe eines stattlichen Wohnhauses, das zum Champ-de-Mars ging, und so gesehen konnte man tatsächlich sagen, daß sie nobel wohnte, denn wenn sie auf einen Schemel kletterte und sich gefährlich weit nach rechts aus dem Fenster lehnte, konnte sie tatsächlich die Spitze des
    Eiffelturms sehen. Was jedoch den Rest anging, meine Liebe, was den Rest anging, war dem nicht wirklich so.
    Sie hielt sich am Geländer fest, keuchte schwer und zog die Wasserflaschen hinter sich her. Sie versuchte, nicht stehenzubleiben. Niemals. Auf keinem Stockwerk. Einmal nachts war es ihr passiert, und sie konnte nicht wieder aufstehen. Sie hatte sich im vierten Stock hingesetzt und war mit dem Kopf auf den Knien eingeschlafen. Ein qualvolles Aufwachen war das gewesen. Sie war völlig durchgefroren und hatte eine Weile gebraucht, bis sie wußte, wo sie war.
     
    Aus Furcht vor einem Gewitter hatte sie das Oberlicht geschlossen, bevor sie ging, jetzt seufzte sie beim Gedanken an die Backofenhitze dort oben. Wenn es regnete, wurde sie naß, wenn es schön war wie heute, erstickte sie, und

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