Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
auch der Kapitän Nemo nicht. Sonderbar genug begnügten sich die Seeleute mit der innen befindlichen Luft.
Meine ersten Worte waren Worte des Dankes und der Erkenntlichkeit gegen meine beiden Gefährten. Ned und Conseil hatten während der letzten Stunden dieses Todeskampfes mein Dasein verlängert. Ich konnte ihnen für diese Hingebung nicht genug Dankbarkeit zollen.
»Lassen Sie das, Herr Professor, erwiderte Ned-Land, es ist nicht der Mühe werth davon zu reden! Wir hatten kein Verdienst dabei. Es war nur ein Rechenexempel. Ihr Dasein ist mehr werth als das unsrige. Darum mußte es erhalten werden.
– Nein, Ned, versetzte ich, es war nicht mehr werth. Ueber einen edlen und guten Menschen geht nichts, und das seid Ihr!
– Gut! Gut! wiederholte der Canadier in Verlegenheit.
– Und Du, lieber Conseil, hast recht zu leiden gehabt.
– Doch nicht allzusehr, offen gesagt. Es fehlten mir zwar einige Schluck Luft, aber ich glaube, ich würde mich schon darein gefunden haben.«
Conseil ward verlegen, daß er unpassend gesprochen, und brach ab.
»Meine Freunde, sprach ich tief gerührt, wir sind auf ewig mit einander verbunden, und Sie haben Ansprüche auf mich …
– Ich werde diese mißbrauchen, versetzte der Canadier.
– Wie? sagte Conseil.
– Ja, fuhr Ned-Land fort, das Recht, Sie mit mir zu nehmen, wann ich diesen höllischen Nautilus verlassen werde.
– Zur Sache, sagte Conseil, fahren wir in guter Richtung?
– Ja, erwiderte ich, weil wir der Sonne zufahren, und hier ist die Sonne im Norden.
– Allerdings, fuhr Ned-Land fort, aber ich möchte wissen, ob wir wieder in’s Stille oder Atlantische Meer fahren, d.h. in besuchte oder verlassene Meere.«
Hierauf wußte ich nicht zu antworten, und ich fürchtete, der Kapitän Nemo werde uns eher vielmehr in den ungeheuren Ocean führen, welcher Asien und Amerika zugleich bespült, um seine unterseeische Rundreise zu vollenden und dort seine Unabhängigkeit vollständiger zu finden. Aber was wurde dann aus Ned-Land’s Plänen?
Wir mußten über diesen wichtigen Punkt bald im Reinen sein. Der Nautilus fuhr reißend schnell. Bald war man über den Polarkreis hinaus, und nun ging es nach dem Cap Horn zu. Am 31. März, um sieben Uhr Abends, befanden wir uns der Spitze Amerika’s gegenüber.
Nun waren alle überstandenen Leiden vergessen, unsere Gedanken waren nur auf die Zukunft gerichtet. Der Kapitän Nemo zeigte sich nicht mehr, weder im Salon, noch auf der Plateform. Da der Lieutenant jeden Tag die Lage feststellte und auf die Karte eintrug, so war ich im Stande, die Richtung des Nautilus genau aufzunehmen. Diesen Abend nun ward es zu meiner großen Befriedigung klar, daß wir durch das Atlantische Meer wieder nach Norden fuhren.
Ich theilte dem Canadier und Conseil das Ergebniß meiner Beobachtungen mit.
»Gute Neuigkeit, erwiderte der Canadier, aber wohin fährt der Nautilus?
– Das kann ich nicht sagen, Ned.
– Will sein Kapitän, nach dem Südpol, auch dem Nordpol Trotz bieten, und durch die berufene nordwestliche Durchfahrt in das Stille Meer kommen?
– Man sollte ihn nicht dazu herausfordern, erwiderte Conseil.
– Dann, sagte der Canadier, werden wir zuvor uns davon machen.
– Jedenfalls, fügte Conseil bei, ist dieser Kapitän Nemo ein ganzer Mann, und wir werden nicht bedauern, seine Bekanntschaft gemacht zu haben.
– Besonders wann wir von ihm fort sind!« versetzte Ned-Land.
Am folgenden Tage, dem 1. April, als der Nautilus auf der Oberfläche fuhr, bekamen wir um Mittag westlich eine Küste in Sicht. Es waren die Feuerlande, ein Haufen Inseln, die sich zwischen 53 und 56° südlicher Breite und 67°50’ und 77°15’ westlicher Länge, dreißig französische Meilen lang und achtzig breit, erstrecken.
Ein elektrischer Fisch. (S. 405.)
Die Küste schien mir niedrig, aber in der Entfernung ragten hohe Berge empor. Ich glaubte sogar den Sarmiento zu sehen, der sich zweitausendundsiebenzig Meter hoch über dem Meeresspiegel erhebt, ein pyramidaler Schieferblock, mit sehr spitzem Gipfel, der, je nachdem er mit Dünsten umgeben oder davon frei ist, »gutes oder schlechtes Wetter anzeigt«, wie Ned-Land sagte.
Manati. (S. 406.)
»Ein merkwürdiges Barometer, mein lieber Freund.
– Ja, mein Herr, ein natürliches Barometer, das mich noch nie getäuscht hat, wenn ich in der Magelhaenischen Straße fuhr.«
Soeben zeigte sich diese Spitze in klarer Zeichnung vor dem Hintergrund des Himmels. Ein Wahrzeichen
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