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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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frischen Element. Zu gleicher Zeit fühlte ich ein regelmäßiges Schwanken von mäßigem Umfang. Das Fahrzeug, das Ungeheuer von Eisenblech war offenbar an der Meeresoberfläche gewesen, um nach Art der Wallfische zu athmen. Hiermit war also die Art der Lufterneuerung des Schiffes völlig ermittelt.
    Als ich mit voller Brust diese Luft eingeschlürft, suchte ich nach der Luftleitung, der Röhre, welche uns diese Erquickung zugeführt hatte, und entdeckte über der Thüre ein Luftloch, das eine frische Strömung hereinließ, um so die verdorbene Luft der Zelle zu erneuern.
    Soweit war ich mit meinen Beobachtungen gekommen, als Ned und Conseil zu gleicher Zeit durch Einwirkung dieser belebenden Lüftung erwachten. Sie rieben sich die Augen, streckten die Arme und waren in einem Augenblick auf den Füßen.
    »Mein Herr hat wohl geschlafen? fragte mich Conseil mit seiner täglichen Höflichkeit.
    – Sehr wohl, wackerer Junge, erwiderte ich. Und Sie, Meister Ned-Land?
    – Tief, Herr Professor. Aber ich weiß nicht, ob ich irre, es kommt mir vor, als athme ich Seeluft?«
    Ein Seemann konnte darin nicht irren, und ich erzählte dem Canadier, was während seines Schlafes vorgegangen war.
    »Gut! sagte er, das erklärt vollkommen das zischende Brausen, welches wir hörten, als der vermeintliche Narwal dem Abraham Lincoln in Sicht war.
    – Vollständig, Meister Ned, es war sein Athmen!
    – Nur, Herr Arronax, habe ich keinen Begriff davon, wie viel Uhr es ist, außer zur Zeit des Mittagessens?
    – Des Mittagessens, wackerer Harpunier? Sagen Sie wenigstens des Frühstückens, denn wir sind offenbar am folgenden Tag von gestern.
    – Das beweist, erwiderte Conseil, daß wir vierundzwanzig Stunden geschlafen haben.
    – Das glaub’ ich, war meine Antwort.
    – Ich widerspreche dem nicht, erwiderte Ned-Land. Aber Mittagessen oder Frühstück, der Proviantmeister wird willkommen sein, bringe er das eine oder das andere.
    – Das eine und das andere, sagte Conseil.
    – Richtig, erwiderte der Canadier, wir haben Recht auf Beides, und was mich betrifft, werde ich beiden Ehre machen.
    – Nun denn! Ned, warten wir’s nur ab, versetzte ich. Es ist offenbar, daß die Unbekannten nicht die Absicht haben, uns Hungers sterben zu lassen, denn sonst hätte das gestrige Abendessen keinen Sinn.
    – Man wollte uns denn mästen! entgegnete Ned.
    – Ich protestire dagegen, erwiderte ich. Wir sind nicht Cannibalen in die Hände gefallen!
    – Ein Mal ist noch nicht Gewohnheit, versetzte der Canadier im Ernst. Wer weiß, ob nicht diese Leute seit langer Zeit frisches Fleisch entbehren mußten, und dann sind drei gesunde Individuen von guter Leibesbeschaffenheit, wie der Herr Professor, sein Diener und ich …
    – Weg mit solchen Gedanken! Meister Ned, erwiderte ich dem Harpunier, und besonders, bringen Sie sich nicht dadurch in Zorn gegen unsere Wirthe, denn es könnte unsere Lage nur schlimmer machen.
    – Jedenfalls, sagte der Harpunier, hab’ ich einen verteufelten Hunger, und Frühstück oder Mittagessen, die Mahlzeit bleibt aus!
    – Meister Land, entgegnete ich, wir müssen uns nach dem Reglement des Schiffs richten und ich vermuthe –, unsers Magens Uhr läuft der des Küchenmeisters voraus.
    – Nun! Man wird sie auf die Stunde richten, erwiderte Conseil gelassen.
    – Daran erkenne ich Sie, Freund Conseil, versetzte der ungeduldige Canadier. Sie nützen Ihre Galle und Nerven wenig ab! Stets ruhig! Sie wären fähig,
Gratias
vor dem
Benedicite
herzusagen, und lieber Hungers zu sterben, als sich beklagen!
    – Wozu soll das dienen? fragte Conseil.
    – Es wird zum Klagen dienen! Das ist schon Etwas. Und wann diese Piraten – so nenne ich sie aus Achtung, und um nicht dem Herrn Professor zu widersprechen, der sie Cannibalen zu nennen verbietet – wenn diese Piraten meinen, sie wollen mich in diesem Käfig, worin ich ersticke, aufbewahren, ohne die Flüche meines Zorns zu hören, so irren sie sich! Sehen Sie, Herr Arronax, reden Sie offen heraus. Glauben Sie, daß sie uns lange in diesem eisernen Käfig einbehalten werden?
    – Die Wahrheit zu sagen, so weiß ich die Dauer so wenig, wie Sie, Freund Land.
    – Aber kurz, was vermuthen Sie?
    – Ich vermuthe, daß uns das Schicksal ein wichtiges Geheimniß in die Hand gegeben hat. Wenn nun die Mannschaft dieses unterseeischen Fahrzeugs es bewahren muß, und wenn dieses Interesse schwerer wiegt, als das Leben dreier Menschen, so halte ich unser Leben für gefährdet. Im

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