Zwei an Einem Tag
lungert bei den Literatur-und Sprachwissenschaften rum, grölt euch Sachen zu, schmeißt Dinnerpartys im Smoking …«
»Ich habe überhaupt keinen Smoking. Und grölen tu ich schon gar nicht …«
»Schippert in den Semesterferien auf Jachten durchs Mittelmeer, heititei, wir sind so toll …«
»Wenn ich so schrecklich bin …« Er legte ihr die Hand auf die Hüfte.
»… bist du.«
»… warum schläfst du dann mit mir?« Seine Hand lag jetzt auf dem warmen weichen Fleisch ihres Schenkels.
»Hab ich strenggenommen doch gar nicht, oder?«
»Kommt drauf an.« Er beugte sich vor und küsste sie. »Definier den Begriff.« Er legte ihr die Hand auf das Kreuz und ließ ein Bein zwischen ihre gleiten.
»Übrigens«, murmelte sie, den Mund gegen seinen gepresst.
»Was?« Er spürte, wie sie das Bein um seines schlang und ihn enger an sich zog.
»Du müsstest dir mal die Zähne putzen.«
»Mich störts nicht, wenns dich nicht stört.«
»Es ist schrecklich«, lachte sie. »Du schmeckst nach Wein und Kippen.«
»Na, dann sind wir ja quitt. Du nämlich auch.«
Abrupt drehte sie den Kopf weg. »Echt?«
»Mich störts nicht. Ich steh auf Wein und Kippen.«
»Bin gleich wieder da.« Sie schlug die Decke zurück und kletterte über ihn hinweg.
»Wo willst du hin?« Er legte ihr die Hand auf den nackten Rücken.
»Bloß auf den Lokus«, sagte sie und fischte ihre Brille vom Bücherstapel neben dem Bett; ein dickes, schwarzes Kassengestell Modell Nullachtfünfzehn.
»›Lokus‹, ›Lokus‹ … das Wort ist mir leider …«
Einen Arm über die Brust gelegt, blieb sie stehen, wobei sie darauf achtete, ihm den Rücken zuzudrehen. »Bleib, wo du bist«, sagte sie, tappte aus dem Zimmer und hakte zwei Finger in den Bund ihres Schlüpfers, um ihn herunterzuziehen. »Und spiel nicht an dir rum, während ich weg bin.«
Er atmete durch die Nase aus, setzte sich auf, sah sich in dem schäbigen Zimmer um und wusste mit absoluter Gewissheit, irgendwo zwischen den Kunstpostkarten und fotokopierten Plakaten von engagierten Theaterstücken lag ein Foto von Nelson Mandela – wie das Bild eines Schwarms. In den vergangenen vier Jahren hatte er, über die Stadt verteilt wie Tatorte auf einer Karte, unzählige solcher Schlafzimmer gesehen, in denen man nie weiter als zwei Meter von einem Nina-Simone-Album entfernt war. Und obwohl er selten zweimal dasselbe Schlafzimmer besuchte, kam ihm alles nur zu bekannt vor. Die kaputten Nachtlichter, die verwelkten Topfpflanzen und der Waschmittelgeruch der billigen, schlecht sitzenden Laken. Sie hatte auch die für künstlerisch angehauchte Mädchen typische Vorliebe für Fotomontagen: Schnappschüsse von Kommilitonen und der Familie inmitten von Chagalls, Vermeers, Kandinskys, Che Guevaras, Woody Allens und Samuel Becketts. Nichts war neutral, alles verriet irgendeine Anhängerschaft oder einen Standpunkt. Das Zimmer war ein Manifest, und seufzend erkannte Dexter sie als die Art von Mädchen, die »Bourgeois« für ein Schimpfwort hält. Er verstand, warum »Faschist« negative Konnotationen hatte, aber er mochte das Wort »Bourgeois« und alles, was damit zusammenhängt. Sicherheit, Reisen, Ehrgeiz, gutes Essen und gute Manieren; weshalb sollte er sich dafür entschuldigen?
Er sah den Rauchkringeln seiner Zigarette aus seinem Mund nach. Dann machte er sich auf die Suche nach einem Aschenbecher und fand neben dem Bett ein Buch. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins , dessen Rücken an den »erotischen« Stellen geknickt war. Das Schlimme an diesen ultraindividualistischen Mädchen war, dass sie alle gleich waren. Noch ein Buch: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte . Was für ein Idiot, dachte er in der Gewissheit, dass ihm so ein Irrtum nie unterlaufen würde.
Mit 23 Jahren hatte Dexter Mayhew ähnlich nebulöse Zukunftsvorstellungen wie Emma Morley. Er hoffte, Erfolg zu haben, seine Eltern stolz zu machen und mit mehr als einer Frau gleichzeitig zu schlafen, aber wie ließ sich das alles vereinbaren? Er wollte, dass Zeitschriftenartikel über ihn erschienen, und hoffte, es werde eines Tages eine Retrospektive seiner Werke geben, ohne einen Schimmer zu haben, was für Werke das sein könnten. Er wollte das Leben voll und ganz auskosten, ohne Schlamassel und Komplikationen. Wenn ein Fotograf von einem beliebigen Augenblick seines Lebens ein Foto machte, sollte es ein cooles Bild werden. Alles sollte perfekt aussehen. Es sollte jede Menge Spaß und nicht mehr
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