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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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»Furchtbare Fracht« geschrieben, geprobt und sind damit getourt, es ist ein von der Akademie der Künste gefördertes Spektakel über den Sklavenhandel mit Geschichten, Folksongs und ziemlich schockierenden Pantomime-Einlagen. Ich habe eine schlecht fotokopierte Broschüre beigelegt, damit du dich mit eigenen Augen davon überzeugen kannst, was für eine anspruchsvolle Nummer es ist.
Furchtbare Fracht ist ein TP-Stück (Theaterpädagogik für dich) für Elf-bis Dreizehnjährige und vertritt den kontroversen Standpunkt, dass Sklaverei etwas ganz Schlimmes ist. Ich spiele Lydia, die, hm, nun ja, die HAUPTROLLE, um genau zu sein, die eitle, verwöhnte Tochter des bösen Sir Obadiah Grimm (erkennst du am Namen, wie böse er ist?), und in der ergreifendsten Szene erkenne ich schließlich, dass all meine hübschen Sachen, all die Kleider (deutet auf Kleid) und Juwelen (ebenso), mit dem Blut meiner Mitmenschen erkauft sind (schluchz-heul) und dass ich mich schmutzig fühle (starrt Hände an, als wären sie BLUTBESUDELT), schmutzig bis in die SEEEEEEEEELE. Es ist eine ziemlich ergreifende Szene, auch wenn ein paar Schüler sie gestern Abend ruiniert haben, indem sie mir M&Ms an den Kopf geworfen haben.
Aber im Ernst, im Großen und Ganzen ist es gar nicht so übel, keine Ahnung, warum ich so zynisch bin, wahrscheinlich ein Abwehrmechanismus. Wir kriegen eigentlich gute Reaktionen von den Jugendlichen im Publikum, d.h. von denen, die nicht mit Sachen schmeißen, und wir halten echt spannende Workshops in den Schulen ab. Schon erstaunlich, wie wenig die Jugendlichen, sogar die aus der Karibik, über ihr kulturelles Erbe und ihre Herkunft wissen. Das Schreiben hat auch Spaß gemacht, und ich habe jede Menge Anregungen für Stücke und andere Sachen bekommen. Ich finde, es lohnt sich, auch wenn du das Ganze für Zeitverschwendung hältst. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir etwas verändern können, Dexter. Ich meine, es gab unglaublich viele radikale Theaterstücke im Deutschland der 30er-Jahre, und sieh nur, was DAS für einen Unterschied gemacht hat. Wir werden die Diskriminierung in den West Midlands auslöschen, und wenn wir uns jeden Schüler einzeln vorknöpfen müssen.
Wir sind vier Schauspieler in der Truppe. Kwame ist der Edle Sklave, und dafür, dass wir Herrin und Diener spielen, kommen wir ganz gut klar (obwohl, als ich ihn neulich im Café gebeten habe, mir eine Packung Chips mitzubringen, hat er mich angeguckt, als wollte ich ihn UNTERDRÜCKEN oder so). Aber er ist nett und nimmt die Arbeit ernst, obwohl er bei den Proben viel geflennt hat, was ich leicht übertrieben fand. Er ist eine kleine Heulsuse, wenn du verstehst. Im Stück soll eine starke erotische Spannung zwischen uns bestehen, aber einmal mehr imitiert das Leben nicht die Kunst.
Dann gibt es noch Sid, der meinen bösen Vater Obadiah spielt. Ich weiß, du hast deine Kindheit damit verbracht, auf einem gottverdammt tollen Kamillen-Rasen Kricket zu spielen, anstatt so was Abgeschmacktes zu tun wie fernsehen, aber Sid war früher mal ein recht bekannter Darsteller in einer Krimiserie namens City Beat , und seine Wut darüber, HIERZU gezwungen zu sein, schimmert durch. Pantomime lehnt er kategorisch ab, als wäre es unter seiner Würde, mit einem nichtexistenten Gegenstand gesehen zu werden. Und er fängt jeden zweiten Satz mit »Als ich noch beim Fernsehen war« an, soll heißen, »Als ich noch glücklich war«. Sid pinkelt in Waschbecken, trägt gruselige Polyester-Hosen, die man ABWISCHT, anstatt sie zu waschen, ernährt sich von Fleischpasteten aus der Tanke, und Kwame und ich halten ihn für einen verkappten Rassisten, aber ansonsten ist er ein reizender Mensch, wirklich ganz, ganz reizend.
Und dann ist da noch Candy, ach, Candy. Sie würde dir gefallen, denn sie ist genau so zuckersüß, wie sie klingt. Candy spielt das Freche Dienstmädchen, einen Plantagenbesitzer und Sir William Wilberforce. Sie ist wunderschön, spirituell und, obwohl ich das Wort nicht mag, eine echte Zicke. Sie fragt mich ständig, wie alt ich wirklich bin, sagt mir, ich sehe erschöpft aus und mit Kontaktlinsen könnte ich fast hübsch sein, was ich natürlich TOLL finde. Sie lässt deutlich raushängen, dass sie nur mitmacht, um eine Gewerkschaftskarte zu bekommen und die Zeit totzuschlagen, bis sie von irgendeinem Hollywood-Produzenten entdeckt wird, denn die haben ja bekanntlich nichts Besseres zu tun, als an einem verregneten Dienstagnachmittag auf der Suche nach

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