Zwei bemerkenswerte Frauen
entsprach weiblichen Ansprüchen. Da nie ein Mann mit uns dort wohnte, ist dies natürlich eine rein theoretische Behauptung, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass sich ein männliches Wesen aus unserer Gesellschaftsschicht dort niemals wohl gefühlt hätte. John jedenfalls kämpfte bei seinen Besuchen mit allen möglichen Problemen. Ständig schlug er sich den Kopf an den Deckenbalken an, er stolperte über unebene Türschwellen, musste sich bücken, wenn er durch die niedrigen Fenster schauen wollte, und schwankte unsicher auf der steilen Treppe. Im Morley Cottage war alles eine Nummer kleiner geworden, nur der Herd in unserer Küche war größer als sein Gegenstück in Bloomsbury.
Wir gewöhnten uns auch daran, in einem kleineren gesellschaftlichen Kreis zu verkehren. Lyme liegt recht abgelegen, die nächste größere Stadt ist das fünfundzwanzig Meilen entfernte Exeter. Vermutlich erklärt das auch, warum die Einwohner von Lyme sich zwar an die gängigen gesellschaftlichen Konventionen halten, aber trotzdem ihren eigenen Kopf haben und unberechenbar sind. Sie können engstirnig, gleichzeitig aber auch tolerant sein. Kein Wunder also, dass es in dieser kleinen Stadt gleich mehrere von der anglikanischen Kirche abweichende Glaubensgemeinschaften gibt. Die Hauptkirche des Orts, Sankt Michael, gehört natürlich nach wie vor zur Church of England, aber es kommen noch diverse andere Gotteshäuser hinzu, in denen sich die Gläubigen versammeln, die Zweifel an der traditionellen Lehrmeinung der Kirche haben: Methodisten, Baptisten, Quäker und Kongregationalisten.
Ich knüpfte in Lyme zwar neue Kontakte, doch insgesamt gefiel mir der widerborstige Geist der Stadt als Ganzes besser, als es einzelne ihrer Bewohner taten – zumindest bis zu dem Tag, an dem ich Mary Anning kennen lernte. Wir Philpots galten in der Stadt noch jahrelang als Londoner Gewächse, die man misstrauisch, wenn auch mit einer gewissen Nachsicht beäugte. Reich waren wir zwar nicht, denn mit einhundertfünzig Pfund im Jahr können drei unverheiratete Frauen keine großen Sprünge machen, aber immer noch wohlhabender als die meisten Menschen in Lyme. Zudem sicherte uns unsere Herkunft aus einer gebildeten Londoner Anwaltsfamilie ein gewisses Maß an Respekt. Darüber, dass keine von uns dreien einen Mann hatte, schienen sich die Leute allerdings gerne lustig zu machen; wenigstens taten sie es hinter unserem Rücken und lachten uns nicht direkt ins Gesicht.
Auch wenn der Morley Cottage nichts Besonderes war, bot er eine atemberaubende Aussicht auf die Bucht von Lyme und die östliche Hügelkette entlang der Küste, aus der als höchster Punkt das Golden Cap herausragte. An klaren Tagen reichte der Blick bis zur Isle of Portland, die wie ein Krokodil, von dem man nur den langen flachen Kopf über Wasser sieht, vor der Küste lag. Oft stand ich schon frühmorgens auf und setzte mich mit meinem Tee ans Fenster, um die Sonne aufgehen und dem Golden Cap seinen Namen geben zu sehen. Der Anblick linderte den Schmerz, mit dem ich immer noch dem lebendig pulsierenden London nachtrauerte, das ich gegen dieses abgelegene, schäbige Seebad an der Südwestküste Englands hatte eintauschen müssen. Wenn die Sonne die Hügel mit ihrem Glanz überzog, hatte ich das Gefühl, unsere Isolation hier nicht nur akzeptieren, sondern ihr auch etwas abgewinnen zu können. War der Himmel jedoch von tief hängenden Sturmwolken bedeckt oder einfach nur gleichförmig grau, nahm die Verzweiflung wieder zu.
Schon bald nach unserer Ankunft im Morley Cottage erkor ich Fossilien zu meiner neuen Leidenschaft. Irgendeinen Zeitvertreib brauchte ich schließlich: Ich war fünfundzwanzig, würde wahrscheinlich niemals heiraten und suchte nach einer Liebhaberei, die meine Tage ausfüllen konnte. Das Leben einer Dame kann unendlich öde und langweilig sein.
Meine Schwestern hatten ihre Territorien bereits abgesteckt. Louise sah man den ganzen Tag auf Händen und Knien in unserem Garten in der Silver Street, wo sie die Hortensien rodete, die ihr als Blumen zu vulgär erschienen. Margaret ging im Ballsaal ihrer Liebe zum Kartenspiel und zum Tanz nach. So oft sie konnte, überredete sie Louise und mich, sie zu begleiten, allerdings fand sie bald jüngere Freundinnen. Nichts schreckt potentielle Bewerber mehr ab als altjüngferliche Schwestern, die am Rand der Tanzfläche stehen und hinter vorgehaltenen Handschuhen dumme Bemerkungen machen. Margaret war gerade neunzehn geworden, und so
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