Zwei Esel Auf Sardinien
nicht die Abschnitte der Tickets, sonst bekommst du die Koffer nie zurück.«
»Keine Angst, ich habe auch Maurizios Adresse und Telefonnummer hinterlassen, falls wir sie morgen nicht abholen können …«
»Waaaas?«
»Reg dich nicht auf, das wird nicht passieren. Aber sollte sich der Streik hinziehen, wissen sie wenigstens, wo sie sie hinschicken sollen.«
»Kruzitürken!«
So geht es während der ganzen Fahrt.
Claudio bleibt immer fröhlich und liebenswürdig, er ist ein Bauer mit sympathischem, offenem Gesicht und schwieligen Händen. Der klapprige Traktor, ein alter Landini aus den siebziger Jahren, ist Zeuge einer längst vergangenen Zeit. Ein bisschen rückständig, aber sehr ähnlich denen, die ich aus meiner Kindheit in den Abruzzen kenne.
Wir zuckeln weiter auf dem alten Landini und werden ordentlich durchgeschüttelt. Da der Traktor nur mit zwanzig Stundenkilometern fährt, bleibt uns Zeit, die Menschen unterwegs zu beobachten und selbst die kleinsten Veränderungen auf ihren Gesichtern wahrzunehmen: zum Beispiel die erschöpft, aber zufrieden wirkende Bauersfrau, die mit einem Sträußchen Rosmarin in der Hand auf dem Heimweg ist und den mürrischen Hirten grüßt, dessen Esel zwei Körbe mit Käse und geräucherter Wurst auf dem Rücken trägt. Jutta ist ganz hingerissen, als sie eine Wiese voller blühender lilafarbener Kardendisteln ausmacht.
Nur Gott allein weiß, wie Claudio ihre Gedanken gelesen hat, jedenfalls steigt er geräuschvoll in die Bremsen, der Traktor macht einen Riesensatz, Jutta plumpst heftig mit dem Hintern auf die Ladefläche des Anhängers, und Claudio springt aus der Kabine des Traktors.
»Nehmen Sie, Jutta, unsere sardischen Karden bringen Glück.« Da sie ihn verdutzt anschaut, schalte ich mich ein und übersetze Claudios Rede: »Unserer Überlieferung nach haben die jungen Mädchen sie gesammelt, in ein Glas Wasser gestellt und eine ganze Nacht lang auf dem Fensterbrett stehen lassen. Je nachdem, wie die Distel am nächsten Morgen aussah, las man daraus das eigene Schicksal. War sie wieder aufgeblüht, bedeutete es, dass das Mädchen einen reichen Ehemann finden würde, wenn nicht, würde ihr Mann arm sein.«
»Danke, Claudio, man sieht schon, dass meine Blüte verdorrt war.«
Das übersetze ich lieber nicht, was Jutta gleich mit einem zornigen Blick quittiert. Claudio schwingt sich unterdessen wieder hinters Lenkrad und lässt den Motor an. Die Natur genießend, legen wir den restlichen Weg bis zu Claudios Behausung zurück.
»Hier hinauf schaffen es sogar die Ziegen nur mit Mühe«, sagt Claudio. »Bei Regen muss man reiten, denn die Straße ist schon dreimal abgesackt. Nehmen Sie, das ist eine Petroleumlampe für die Nacht. Wir können uns nicht einmal eine Melkmaschine leisten. Wir haben weder das Geld, um sie zu bezahlen, noch den Strom, um sie zu betreiben. Es gibt schon Leute hier, die ihre Ziegen maschinell melken lassen und abends mit dem Geländewagen nach Hause kommen, in Kaschmirpyjamas schlafen und Plasmafernseher haben. Aber Anna und ich, wir sind arme Leute. Strom gibt es bei uns nur im Haus. Ja, meine Lieben, Sardinien ist nicht nur die Costa Smeralda.«
Im Steinhaufen
Jutta
»Mein Akku ist leer«, rufe ich Bruno zu. »Hast du eigentlich deinen Cousin erreicht? Es ist schon Nachmittag, du wolltest doch mit ihm zum Pfarrer gehen?!«
Eigentlich kann es mir ja egal sein. Mein Problem ist eher, wie ich mit den blauen Flecken, die ich mir hier auf meiner Kiste auf- und abhüpfend am Po zuziehe, die stundenlange Trauungszeremonie überstehen soll. Die Bänke sind mit Sicherheit katholisch karg und hart.
Ob es etwas ausmacht, wenn Bruno nicht mit zum Pfarrer geht? Notfalls kann er ja noch morgen früh zu dem Geistlichen gehen. Die Hochzeit ist ja erst am Sonntag. Mir ist es eh ein Rätsel, was wir so lange in Gesturi vorbereiten sollen. Aber irgendwie freue ich mich darauf. Wenn wir erst mal da sind, wird es bestimmt wunderschön. Hoffentlich passt mir mein Cocktailkleid dann noch. Zweimal am Tag Pasta und Fleisch, Käse und dolci schaffe ich nicht. Zumal Italiener ihre üppigen Mahlzeiten nie vor neun Uhr abends beginnen. Ich schwelge in Gedanken an eine Karaffe kalten Landwein, dazu Ziegenkäse mit sardischem Brot, Oliven und tausend lustige Geschichten über das Brautpaar.
»Hast du Hunger, amore ?«, fragt mich Bruno. Er kann wirklich Gedanken lesen.
»Und wie!«, antworte ich.
»Ich auch«, sagt Bruno. »Claudio hat uns gerade eingeladen, bei
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