Zwei Esel Auf Sardinien
ihnen eine Kleinigkeit zu essen. Wenn wir warten müssen, können wir auch gleich was essen. Jetzt ist es auch schon egal, wann wir in Gesturi auftauchen, die Alten schlafen nachmittags, und Maurizio ist beim Pfarrer. Ist das okay für dich?«
Nett, dass er mich fragt, denke ich mir, dann ist ja wieder alles in Ordnung. Sehr viel fröhlicher betrachte ich die karge und hügelige Landschaft. Ländlich ist es hier, wenig besiedelt. Mal ein Dörfchen auf einer Anhöhe, dann wieder kilometerweit nur Felder. Sie sind abgeerntet, es ist auch hier trotz warmer Sonne herbstlich. Schon nach vier Uhr. Mein Gott, wie schnell die Zeit vergangen ist. Sicher wird es in zwei Stunden dunkel. Schade, nun ist der erste Tag fast vorbei, und ich habe noch nichts von der Insel gesehen.
Wir biegen in einen Feldweg ein, der steil hinaufführt. Ich muss mich festhalten. Die Ziegen stützen sich mit ihren Hinterläufen ab, anscheinend kennen sie das. Endlich stehen wir vor des Schäfers Palast: einem kleinen Steinhaufen mit einem Fenster und einer grünen Holztür. Claudio pfeift durch die Finger, und eine ältere, magere Frau tritt aus der Haustür, sagt etwas zu ihm und wirft uns einen leicht irritierten Blick zu. Zwischen den beiden entspinnt sich eine kurze Diskussion, die eindeutig nicht wohlwollend ist, was uns betrifft.
»Komm, er soll uns schnell zurück zur Hauptstraße bringen, lieber trampe ich nach Gesturi, als diesem Drachen ausgeliefert zu sein«, zische ich Bruno leise zu.
»Das geht nicht, das ist unhöflich, er hat uns zum Essen eingeladen«, entgegnet dieser.
»Aber sie will uns hier nicht haben, das siehst du doch. Bitte, Bruno, ich will hier weg.« Doch er würde niemals eine Einladung ausschlagen, die ein einfacher Bauer in seiner Großzügigkeit ausgesprochen hat.
Claudio öffnet die Ladeklappe, die Ziegen springen so schnell sie können vom Hänger und rennen zu einem klapprigen Türchen, das an einem Drahtzaun hängt. Dahinter sind noch mehr Ziegen und Schafe. Zu meinem Erstaunen suhlt sich auch eine Herde Wildschweine in einer schlammigen Pfütze. Bestimmt sechs oder sieben kleine Frischlinge sind darunter. Dann gibt es noch zwei Esel. Alle leben zusammen in einem Verschlag. Ärmlich, aber eine Idylle. Selten hab ich mich so deplatziert gefühlt in meinem Outfit.
Was muss diese Frau von mir denken? Wie soll ich ihr sagen, dass ich keine deutsche Zicke bin, sondern nur so aussehe?
Sie winkt mich zu sich herein in den Steinhaufen. Bruno darf sich die Wildschweine aus der Nähe ansehen. Ich könnte laut loslachen, denn ich weiß, dass er sich gerade vor Angst fast in die Hosen macht. Das geschieht ihm recht, soll ihn ruhig der Eber über den Hof jagen, feixe ich.
Claudios Frau drückt meine Hand. » Sono Anna, e tu? «, fragt sie. Hurra, ich hab was verstanden!
» Sono Jutta «, antworte ich.
» Udda, ah, sì. « Sie reicht mir ein schmuddeliges Glas mit Wasser. Dankbar nehme ich es an, es wird mich schon nicht umbringen.
Anna, durchaus nicht so unfreundlich, wie mein erster Eindruck war, mustert mich noch einmal ausgiebig, um dann ein bewunderndes » Sei bella « loszuwerden. Sie zupft begeistert an meinem angeschmuddelten Röckchen und fragt mich, ob ich Deutsche bin. »Sei tedesca?«
» Sì, sì, di Monaco, München, sono una bavaresa. «
»Uiuiui, Oktoberfest«, strahlt sie, um gleich darauf zu bezeugen, dass sie Bier kennt.
Na, sie scheint doch nicht völlig hinter dem Mond zu leben. Sicher haben sie hier irgendwo auch einen Fernseher versteckt.
Als es wenig später im Steinhaufen so dunkel ist, dass man kaum mehr etwas sehen kann und Anna mit Getöse einen Generator unweit von hier in Gang setzt, wird mir klar, dass hier doch kein Fernseher versteckt ist, ebenso wenig wie ein Radio. Auch entdecke ich kein Telefon, aber mit Sicherheit haben sie ein Handy! Sonst muss man die beiden ins Guinnessbuch der Rekorde eintragen lassen – als einzige Italiener ohne Telefon.
Draußen höre ich die beiden Männer angeregt reden, Claudio kommt herein und holt zwei Gläser. Von einem Steinvorsprung nimmt er eine Flasche und entschwindet, nicht ohne Anna ein paar Worte zuzurufen, die ich nicht verstehe. Ich überlege, welchem Sprachstamm Sardisch wohl entsprungen ist. Fast glaube ich, arabische Worte herauszuhören. Wer weiß, welche Seefahrer hier vor Jahrhunderten gestrandet sind? Schon verrückt, wie sich eine Sprache verändert, sobald sie anderen Einflüssen ausgesetzt ist. Ich muss bloß an den tiefsten
Weitere Kostenlose Bücher