Zwei Krankenschwestern auf dem Jacobsweg oder im Oktober gibt es keine Nachtpilger (German Edition)
Pilgerpässe im Pilgerbüro vorzulegen, damit wir unsere Compostela, unsere Pilgerurkunde, erhalten. Wiebke weiß den Weg und so finden wir schnell zum Pilgerbüro und stellen uns in die Reihe zu den vielen Pilgern, die geduldig warten. Als wir die Fragen nach dem Weg wahrheitsgemäß beantwortet haben, erhalten wir unsere Compostela und machen uns auf den Weg zur Herberge. Zum Glück weiß Wiebke auch diesen Weg, denn sie war schon einmal hier. Kreuz und Quer geht es durch die Gassen, eine Wegbeschreibung ist im Nachhinein nicht möglich. Wiebke führt uns zum „Seminario Menor“, das auf einem Berg liegt und einen wunderbaren Blick über die ganze Stadt bietet. Eine große Herberge befindet sich im Gebäude. Hier darf man mehr als einen Tag bleiben. Die Herberge hat über 170 Betten in verschiedenen Säle. Heute kostet das Bett 12,- €, eigentlich ist das billig, aber nach den Preisen der vergangenen Wochen müssen wir doch erst mal schlucken. 13.30 Uhr ist erst Einlass, dann können wir unsere Betten belegen. Im Keller dürfen wir die Rucksäcke verschließen und werden dann den Weg in die Stadt ohne Gepäck antreten. Zur Pilgermesse kommen wir gerade noch rechtzeitig.
Die Kirche ist kaum wieder zuerkennen, die vielen Menschen haben jeden Sitzplatz besetzt, uns bleibt nur noch ein Platz auf dem Fußboden. Wir haben aber eine gute Stelle gewählt. Eine Nonne singt mit den Pilgern vor der eigentlichen Messe, sie hat eine ganz wunderbare Stimme. Die selbe Nonne erleben wir auch im Jahr 2011. Die Messe findet dann mit viel Pomp statt. Ein großes Aufgebot an Geistlichen beschreitet den Altarraum und ein Priester verliest, schneller als Götz Alsmann, die Pilgerzahlen, ihre Nationalitäten und andere Dinge. Wir können es nicht verstehen, lauschen aber trotzdem den fließenden Worten. Die Zeremonie ist sehr ergreifend. Wir haben heute Glück. Ohne dass wir es wussten, sitzen wir genau dort, wo der Botafumeiro (Weihrauchfass) abgeseilt und geschwenkt wird. Zum Ende der Messe kommt das Gefäß zum Einsatz. Der beißende Geruch ist kaum zu ertragen, aber trotzdem ist es ein besonderes Spektakel. Nach der Messe gehen wir in ein Restaurant und lassen uns ein Pilgermenü schmecken. Wir genießen es den restlichen Tag zu vertrödeln und beschließen morgen nach Fisterra zu fahren. Die Bustickets haben wir am Nachmittag besorgt. Wir freuen uns auf den Ozean.
25. Oktober, Dienstag, Mit dem Bus nach Finesterra und am Abend wieder zurück, Santiago: Regen, 16 °C, Finesterra: überwiegend Sonnenschein, vereinzelt Schauer
7.00 Uhr weckt mich das Handy und ich lausche nach draußen. Das Wetter hat sich nicht gebessert. Die ganze Nacht hat es geregnet. Ich mache mich fertig und wecke Karola. Dann befrage ich das Internet, wie wohl das Wetter in Finesterra wird. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei 89%. Das ist ja eine eindeutige Auskunft. Aber wir wollen doch nach Finesterra. Jacobsweg ohne „Ende der Welt“ geht nicht. Für Mittwoch sagt das Internet sogar 100% Regen voraus. Nun können wir uns entscheiden.
Es ist wohl ratsam die 89% zu nehmen, wird man vielleicht nicht ganz so nass. Jetzt müssen wir schnell handeln. Wir wollen unsere Herberge bis Donnerstag behalten und heute Abend wieder kommen. Mit dem Wirt haben wir aber noch nichts abgemacht. Also schreibe ich dem Wirt ein paar grammatikalisch fragliche Sätze auf spanisch auf. Der Inhalt kurz gefasst besagt: „Wir fahren jetzt nach Finesterra und kommen heute Abend wieder. Wir wollen das Zimmer bis Donnerstag behalten.“ Hat der Spanisch-Kurs doch noch was gebracht. Nun gehe ich schnell ins Hotel nach nebenan, wo unser Pilgerfreund Lothar wohnt. Wir wollten gemeinsam nach Finesterra und so werde ich ihn wecken. Ich klopfe an seine Tür und ein verschlafener, erschrockener Lothar öffnet die Tür. Ich schildere ihm kurz die Situation und er wird sich beeilen, damit wir den Bus nicht verpassen. Eine ½ Stunde später treffen wir uns mit wenig Gepäck vor dem Haus. Schön mal nicht mit dem ganzen Hausstand zu reisen. Dann machen wir uns auf den Weg, von dem wir hoffen, dass es der richtige ist. Bekommen aber, wie immer in dieser Stadt, bald unsere Zweifel. Haben wir uns mal wieder verlaufen? Hektisch werden einige Passanten befragt. Eine unerwartete ganz andere Lösung, die zum Ziel führt, stellt sich ein. Wir fahren in einem Stadtbus zum Busbahnhof. Gerade noch rechtzeitig besteigen wir unseren Bus.
Juliane, Martin, Wiebke und ich fahren 2009 auch mit dem Bus nach
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