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Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Titel: Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Maibritt jeden Morgen fragte, ob sie die richtigen Schulsachen dabeihatte. Maibritt hatte immer alles dabei, was sie brauchte, und sie war noch kein einziges Mal zu spät zur Schule gekommen. Sie konnte schon in der ersten Klasse die Uhr lesen. Sich auf Mama zu verlassen, was Zeiten anging, war nämlich hoffnungslos. In dem Punkt war Maibritt sich mit Papa einig.
    Maibritt guckte zu Anna hoch. Anna lächelte. Ihre Zähne waren so ebenmäßig und weiß. Mamas Zähne waren auch weiß, aber sie standen kreuz und quer im Mund herum, als hätte sie auch nie die Zeit gefunden, dort aufzuräumen.
    »Hallo«, sagte Anna.
    »Hallo«, sagte Maibritt.
    »Das stell ich mir gemütlich vor, allein im Dunkeln zu sitzen«, sagte Anna.
    »Komm raus«, sagte Papa.
    »Magst du mit mir zum Wohnwagen gehen?«, fragte Anna.
    »Ja«, antwortete Maibritt.
    Papa wirkte etwas überrumpelt. Er sah aus, als würde er nachdenken. Auf alle Fälle kratzte er sich in den wenigen Haaren, die noch übrig waren. Er schielte zur Küche rüber. Märzbritt und Mama steckten mitten in einer Diskussion über ein neues Spiel, ein dreidimensionales Leiterspiel mit eingebauten Licht- und Toneffekten.
    »Bitte nichts mit Strom!«, rief Papa.
    Danach sah er Anna an, als wäre er nicht sicher, ob sie es ernst meinte, dass sie Maibritt mitnehmen wollte.
    »Ich will ihr was zeigen«, sagte Anna mit einem Lächeln. »Etwas, das ihr bestimmt gefallen wird.«
    »Okay«, sagte Papa, und Maibritt war mit einem Satz aus der Abstellkammer. »Eine Stunde«, sagte er. »Versprich mir, Anna nicht länger als eine Stunde auf die Nerven zu gehen.«
    »Ich geh ihr gar nicht auf die Nerven«, sagte Maibritt, aber das hörte Papa nicht, weil sie schon fast beim Gartentor war.
    Rambo hob den Kopf, und sie blieb wie angewurzelt stehen.
    »Bleibt er den ganzen Tag da liegen?«, fragte Maibritt skeptisch.

    »Nein«, antwortete Anna, »ich mache später noch einen Spaziergang mit ihm. Aber hier hat er Schatten, wenn ihm danach ist, und Sonne, um sich aufzuwärmen, und außerdem eine große Schale Wasser. Und in Victorias Nähe fühlt er sich einfach am wohlsten.«
    Maibritt hatte den eigentlichen Namen ihrer besten Freundin fast schon vergessen.
    »Oder Märzbritt, wenn dir das lieber ist«, sagte Anna und grinste.
    Sie bogen hinter dem Torpfeiler ab und überquerten die Auffahrt. Der Wohnwagen blinkte in der Sonne wie ein großes Silberei.
    Als Anna die Tür aufschloss, hatte Maibritt ein kribbeliges Gefühl im Bauch. Ungefähr so, wie wenn Oma zu Besuch kam. Mamas Mutter lebte in Frankreich und kam einmal im Jahr zu Besuch. Sie war das absolute Gegenteil von Mama, in allem, und der liebste Mensch, den Maibritt kannte. Außer Anna vielleicht.
    Es duftete so gut im Wohnwagen. Maibritt schnupperte. Nach Anna und etwas anderem. Waffeln vielleicht. Süß und sehr lecker. Der kleine Herd war blitzeblank, obwohl er schon sehr alt zu sein schien. An der Wand gegenüber der Tür strömte das Sonnenlicht durch die hübschen Gardinen mit Feldblumen.
    »Setz dich«, sagte Anna und zeigte auf das rosa Bett. »Magst du Saft trinken?«
    »Ja, gern.«
    Maibritt setzte sich vorsichtig auf den schönen Bettüberwurf. Anna öffnete den winzigen Kühlschrank. Selbst darin war es aufgeräumt. Maibritt sah ein ordentlich eingepacktes Stück Butterkäse und eine Tube Kaviarpaste daneben. Das Ende war sauber aufgerollt und der Deckel richtig aufgeschraubt. Nicht schief und krumm und mit getrockneter Paste verklebt wie zu Hause. Aus einer mit Alufolie abgedeckten Schale duftete es nach Frikadellen. In der Tür standen eine Milchtüte, ein Eierkarton und eine Kanne mit fertig gemischtem Saft.
    »Danke«, sagte Maibritt und nahm das angebotene Glas entgegen.
    Der Saft schmeckte nach Walderdbeeren. Maibritt trank in kleinen Schlucken und beobachtete Anna, die ein Schrankfach öffnete und einen Schuhkarton herausnahm. Oder das, was einmal ein Schuhkarton gewesen war. Deckel und Karton waren in Geschenkpapier eingeschlagen, sodass er aussah wie eine richtige Schatzkiste. Anna nahm andächtig den Deckel ab und setzte sich neben Maibritt aufs Bett.
    »Ich sammle Glanzbilder«, sagte sie mit ganz leiser Stimme. »Seit meiner Kindheit. Ich habe eine riesige Sammlung, aber das hier …«, Anna sah liebevoll in ihre Schatzkiste, »das sind die allerschönsten, die habe ich immer bei mir.«

    »Oh«, sagte Maibritt und hielt die Luft an.
    Das obere Glanzbild war besonders groß und stellte einen Engel dar. Einen

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