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Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Titel: Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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wunderschönen Engel mit weißer Haut und schwarzen Haaren und riesigen, mit Goldglitter bestreuten Flügeln, die im Sonnenlicht glitzerten. Der Engel hatte die Hände gefaltet. Neben seinem Bein stand ein Engelskind und hielt sich an dem weit fallenden Kleid fest. Das Kind war nackt und hatte noch nicht ganz ausgewachsene Flügel, neben den großen Flügeln der Engelsfrau wirkten sie winzig klein und verknittert.
    »Dieses Glanzbild ist aus Polen«, flüsterte Anna, als gehöre es sich nicht, laut zu reden, wenn man so etwas Schönes vor sich hatte. »Es ist über hundert Jahre alt.«
    Ganz vorsichtig legte Anna das Bild auf den Bettüberwurf. Es gab noch viel mehr Engel in der Kiste, große und kleine, Babys und Tiere, elegant gekleidete Damen und sogar das eine oder andere Rennauto. Anna und Maibritt saßen lange so nebeneinander auf der Bettkante, ohne viel zu sagen, und sahen sich jedes einzelne Bild ausgiebig an, jedes noch so kleine Detail, jeden Glitzerpunkt. Alle Glanzbilder waren schön, aber keins so schön wie der wunderbare Engel mit seinem Kind.
    Plötzlich wurde es dunkel im Innern des Wohnwagens. Die Sonne war hinter der Hausecke verschwunden. Maibritt fing an zu weinen. Ganz leise, so leise, dass eine Weile verging, ehe Anna etwas merkte.
    »Oje«, sagte sie besorgt. »Bist du traurig, mein Mädchen?«
    Eigentlich war das eine typische Papa-Frage. Maibritt würde ja wohl kaum weinen, wenn sie nicht traurig wäre.
    »Ich meine«, beeilte Anna sich zu sagen und strich Maibritt über den Kopf, »warum bist du traurig?«
    Anna kann meine Gedanken lesen, dachte Maibritt.
    »Ich bin schuld, dass Mama die Polizisten angelogen hat«, schluchzte sie. »Oder nein, nicht ich, Gott. Ich habe ihn gebeten, dafür zu sorgen, dass sie lügt. Oder, na ja, direkt darum gebeten habe ich ihn nicht, aber …«
    Jetzt weinte Maibritt richtig. Anna legte die Glanzbilder behutsam zurück in den Karton. Dann legte sie den Arm um Maibritts Schulter und zog sie an sich.
    »Gott hört sonst nie auf mich«, hickste Maibritt. »Aber ich wollte nicht ins Gefängnis, und da hab ich ihn ganz doll darum gebeten, dass …«
    »Hallo, ihr beiden«, sagte plötzlich Märzbritt von der Tür. »Sitzt ihr hier und flennt?«
    Maibritt richtete sich blitzschnell auf und wischte sich die Tränen mit dem Handrücken ab.
    »Nein«, sagte sie eilig.
    »Komm!«, rief Märzbritt. »Deine Mama und ich haben die welttollste Seilbahn erfunden!«
    Als sie Maibritts skeptischen Gesichtsausdruck sah, fügte sie schnell hinzu: »Dein Papa hat uns geholfen. Ihr müsst unbedingt mitkommen, alle beide!« Und weg war sie, genauso schnell, wie sie aufgetaucht war.
    Anna drückte Maibritt ganz fest an sich. »Gehen wir«, sagte sie leise. »Aber wir reden später weiter, nur wir beide, versprochen.«
    Maibritt schloss die Augen. Dann öffnete sie sie wieder, holte tief Luft und stand auf.
    »Lieber, lieber Gott«, flüsterte sie so laut, dass Anna es hören konnte, »lass die Seilbahn Papas Erfindung sein. Bitte, lieber Gott, lass es nicht noch eine von Mamas Horrorerfindungen sein!«

[zurück]
    Neuntes Kapitel,
    in dem Papa eine phantastische Reise durch die Luft macht, es um ein Haar zur nächsten Katastrophe kommt und Maibritt vor Schreck das Gehör verliert.
    Papa hatte die Seilbahn gebaut.
    Na ja, also, die Idee stammte von Märzbritt, und Mama fand sie auf Anhieb toll, wie immer, wenn jemand etwas Verrücktes vorschlug. Je verrückter, desto besser. Und Papa, der in seiner Freizeit kletterte, hatte zum ersten Mal seit Langem Mamas Begeisterung geteilt. Außer Maibritt verschwendete erstaunlicherweise keiner einen Gedanken daran, dass Papa eigentlich gar keine Freizeit hatte und mindestens seit Maibritts Geburt keine Kletterwand mehr erklommen hatte.
    Von Maibritts Fenster in der oberen Etage waren jetzt zwei dicke orangefarbene Seile bis zu der Eiche in Märzbritts Garten gespannt. Auf der einen Seite waren sie an einem kräftigen Haken befestigt, der über Maibritts Bett in die Wand geschraubt war. Als Maibritt ihr Zimmer betrat, war ihr erster Gedanke, dass es ganz schön unheimlich sein würde, morgens unter einem riesigen rostigen Seeräuberhaken aufzuwachen. Die anderen standen alle am Fenster und schauten hinaus.
    »Da kriegt man bestimmt einen Affenzahn drauf!«, rief Maibritt begeistert. Anna stand neben Maibritt und sah mindestens so skeptisch aus wie sie.
    »Nein, nein«, sagte Papa. »Der Höhenunterschied ist nicht sehr groß, von Affenzahn

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