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Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Titel: Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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straff gezogen hatte, war Märzbritt abflugbereit. Mit einem Satz war sie auf dem Bett, damit Papa die Karabinerhaken anbringen konnte.
    »Ich habe gar kein gutes Gefühl dabei«, sagte Anna.
    »Anna entscheidet«, sagte Mama und hielt eine Hand vor Märzbritt, um sie am Springen zu hindern.
    »Die Seilbahn ist absolut sicher«, sagte Papa und lächelte. »Und sollten tatsächlich beide Seile auf einmal reißen, fällt sie nicht allzu tief, höchstens zwei, drei Meter. An der höchsten Stelle vielleicht vier.«
    Es sah nicht so aus, als würde Anna der Gedanke in irgendeiner Weise beruhigen, dass ihre Tochter vier Meter tief in einen verwilderten Garten abstürzen könnte. Ganz sicher auch deshalb nicht, weil Märzbritt erst wenige Stunden zuvor fast von Mama gegrillt worden wäre.
    »Lass mich zuerst«, sagte Mama wild entschlossen. »Damit Anna in der Zwischenzeit noch einmal darüber nachdenken kann.«
    »Oh, Mama«, bettelte Märzbritt, »es ist ganz sicher. Biiitte!«
    »Ich halte das für gar keine gute Idee«, sagte Anna. »Und jetzt sei so lieb und zieh den Gurt wieder aus.« Sie sprach lauter als gewöhnlich.
    »Anna entscheidet«, sagte Mama munter. »Aber ich probiere es auf jeden Fall.«
    Als sie den Gurt angelegt hatte und mit baumelnden Beinen im Fensterrahmen saß, sah sie plötzlich gar nicht mehr so munter aus.
    »Bei mir ist es doch auch gut gegangen«, machte Papa ihr Mut. »Und ich bin viel schwerer als du.«
    Mama zögerte trotzdem noch. Sie rutschte mit dem Po nach vorn, traute sich aber nicht, loszulassen.
    »Mach schon«, sagte Papa und gab Mama einen Klaps auf den Hintern.
    Mama plumpste vom Fensterrahmen. Im Gegensatz zu Papa, der ganz gemütlich die Seilbahn hinuntergesegelt war, nahm Mama ordentlich Fahrt auf. Was wahrscheinlich daran lag, dass sie sich nach dem Klaps nach hinten gelehnt und ihr Schwerpunkt sich verschoben hatte.
    »Jippie!«, rief Märzbritt.
    »Heiliger Bimbam!«, rief Papa erschrocken.
    Das war fast ein Fluch, aber in diesem Augenblick dachte Maibritt an alles andere als an die Fluchkasse.
    »Um Himmels willen!«, sagte Anna bleich und legte die Hand vor den Mund.
    PANG !, machte es, als das eine Seil mit einem Knall riss. Das Seilende traf Märzbritt um ein Haar im Gesicht, als es aus dem Fenster schnellte und verschwand. Anna, Papa und Märzbritt stürmten aus dem Zimmer.
    Maibritt blieb wie angewurzelt stehen. Alles, was sie hörte, war ein kräftiges Summen in ihrem Kopf. Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt wie in diesem Moment. Sie war das einsamste Kind in ganz Norwegen, da war sie sicher. Das war das Schrecklichste, was sie je in ihrem Leben erlebt hatte. Noch schlimmer als ihre erste Begegnung mit Rambo.
    Draußen war es mucksmäuschenstill. Vielleicht lag Mama mausetot in Märzbritts und Annas verwildertem Garten. Maibritt traute sich nicht, aus dem Fenster zu schauen. Sie traute sich nicht einmal, zu weinen.

[zurück]
    Zehntes Kapitel,
    in dem Mama wie an einer Wäscheleine im Garten hängt, Papa völlig durcheinander ist und Maibritt ihren Kopf anstrengt und zur Heldin des Tages wird.
    Maibritt hörte noch immer nur das merkwürdige Summen in ihrem Kopf, als wäre dort ein Bienenschwarm eingezogen. Papa, Anna und Märzbritt mussten längst im Garten angekommen sein.
    Maibritt schluckte.
    Sie hielt sich die Nase mit Zeigefinger und Daumen zu, presste die Lippen zusammen und blies die Backen auf. Das half normalerweise gegen Druck in den Ohren. Und jetzt half es auch.
    Plötzlich hörte sie alles wieder ganz deutlich. Mama schrie Zeter und Mordio. Dann lebt sie auf alle Fälle noch, dachte Maibritt und war so erleichtert, dass sie auf der Stelle zu weinen anfing. Gleichzeitig war ihr Kopf wieder ganz klar. Mit einem Satz war sie auf ihrem Bett. Mama lebte, so viel war sicher.
    Sie baumelte in dem Gurt an der Sicherungsleine, mitten zwischen Maibritts Fenster und der großen Eiche mit dem Baumhaus. Und sie schrie so laut, dass bereits die ersten Nachbarn herbeigeeilt kamen. Sie hatte ihre Schuhe verloren, und der Rockteil des blauen Kleides war ihr über den Kopf gerutscht, sodass man ihre ausgeleierte, vom vielen Waschen graue Unterhose sehen konnte, die eigentlich nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt war. Sie strampelte mit den Füßen in der Luft herum, und Märzbritt konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

    »Gro, du schaffst das!«, rief Märzbritt. »Hangel dich an den Armen zum Baum!«
    Kein schlechter Vorschlag, fand Maibritt und

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