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Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Titel: Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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kann also gar nicht die Rede sein. Aber spannend wird es auf alle Fälle. Endlich kommt meine Kletterausrüstung mal wieder zum Einsatz, die ich als junger, knackiger Kerl oft benutzt habe.«
    Er grinste breit, hielt den Klettergurt vor sich hoch und fischte ein paar solide Haken aus einem Stoffbeutel.
    Schön sehen die aus, dachte Maibritt.
    Es gab rote, grüne und blaue. Als Papa ihr einen in die Hand drückte, war sie erstaunt, wie leicht und kalt und glänzend und matt sie in ihrer Hand lagen.
    »Das sind Karabinerhaken«, erklärte Papa. »Die besten Freunde des Kletterers. Neben dem Seil selbstverständlich.«
    »Karabinerhaken«, wiederholte Maibritt. Das musste sie unbedingt auf ihre Liste schöner Wörter schreiben.
    »Ich bin die Erste«, sagte Märzbritt und griff nach dem Klettergurt. »Immerhin war das meine Idee.«
    »Nein«, sagte Papa bestimmt. »Um sicherzugehen, dass die Konstruktion hält, mache ich den Test vor allen anderen.«
    Als Papa den Gurt überzog, herrschte andächtige Stille im Zimmer. Selbst Mama hielt den Mund. Es war nicht zu übersehen, dass Papa nicht mehr jung und schön war. Jedenfalls verhedderte er sich zuerst ziemlich in dem Gurt. Als er es endlich geschafft hatte, den Gurt anzuziehen, saß der Karabinerhaken auf dem Rücken.
    Märzbritt konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Willst du kopfüber Seilbahn fahren? Das sieht bestimmt komisch aus.«
    Maibritt war sicher, dass sie Papa fluchen hörte. Ganz leise und mit zusammengebissenen Zähnen. Fluchen war in der Familie Solgård-Larsen nämlich eigentlich streng verboten. Das hatte Maibritt eingeführt. Fluchen war hässlich. Normalerweise hätte sie jetzt zwei Kronen für die Fluchkasse einkassiert, die in der Küche auf dem Fensterbrett stand und schon ziemlich voll war. Aber in diesem Moment tat Papa ihr fast ein bisschen leid, deswegen tat sie so, als hätte sie nichts gehört.
    Er schwitzte und kämpfte mit dem Gurt, und Mama musste sich die Hand vor den Mund legen, um nicht laut loszuprusten.
    »So«, sagte Papa endlich, »jetzt sitzt er richtig.«
    Der Gurt sah nicht sehr gemütlich aus. Er saß etwas zu stramm, ehrlich gesagt. Papa war offensichtlich dicker geworden, seit er ihn das letzte Mal benutzt hatte.
    »Den kann man doch bestimmt weiter stellen«, sagte Maibritt und zeigte auf die Riemen.
    »Weiter?«, sagte Papa. »Wozu? Der sitzt doch wie angegossen. Ich hab nicht ein Gramm mehr auf den Rippen als damals, als ich jung und knackig war.«
    Märzbritt schüttelte den Kopf. »Das sieht aber aus, als ob du dir den Pimmel quetschst, wenn du mich fragst.«
    »So ein Unsinn«, stöhnte Papa. »Und jetzt schaut her …«
    Er stieg auf Maibritts Bett und befestigte einen grünen Karabinerhaken an dem Gurtseil und an einem der beiden Spannseile. Dann reichte Mama ihm einen roten Haken. Den befestigte er an dem Gurt und dem zweiten Spannseil.
    »Die Sicherheit hat immer oberste Priorität«, sagte Papa. »Immer ans Back-up denken, Mädchen. Falls das eine Seil reißt, hänge ich sicher am anderen.«
    »Und was ist, wenn das andere Seil auch reißt?«, fragte Anna vorsichtig.
    »Zwei Seile reißen nie gleichzeitig«, sagte Papa und schob die Beine aus dem Fenster.

    Er saß im Fensterrahmen und baumelte mit den Beinen. Irgendwie machte er den Eindruck, als habe er Angst. Maibritt konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er hatte die Schultern hochgezogen, wie immer, wenn ihm etwas unangenehm war. Maibritt hätte ihm am liebsten den Rücken gestreichelt und gesagt, dass er das nicht tun müsse, wenn er nicht wolle, dass er auch so der mutigste Papa auf der Welt sei, als Märzbritt plötzlich laut schrie: »Gute Reise!«
    Und weg war Papa.

    Märzbritt und Mama hüpften beide aufs Bett, um besser sehen zu können. Anna und Maibritt versuchten, zwischen Mamas Beinen hindurch einen Blick auf das Schauspiel zu erhaschen. Papa segelte in einem weiten Bogen durch die Luft. Auf halber Strecke zwischen Haus und Baum breitete er die Arme aus und stieß wilde Jubelschreie aus, dass es durch das ganze Wohnviertel schallte. Als er sich der Eiche näherte, hatte er nur noch Schneckentempo drauf. Elegant setzte er die Füße auf der windschiefen Plattform vor dem Baumhaus ab.
    »Juhuu!«, rief er und winkte den Zurückgebliebenen am Fenster zu. »Das macht Laune! Jetzt bist du dran, Märzbritt. Ich bin gleich bei euch.«
    Märzbritt konnte es kaum abwarten. Sie schaffte es ohne Hilfe, den Gurt anzulegen. Nachdem Papa ihn ordentlich

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