Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Vorplatz wimmelt es von erschöpften aber scheinbar wunschlos glücklichen Pilgern. Manche stehen, wie wir, einfach nur schweigend da, während andere auf dem Boden liegen oder sitzen und dabei rundum selig wirken. Eine richtige Gänsehaut durchfährt unsere Körper, als eine Chor-Reisegruppe den gesamten Kirchplatz mit ihrem vollen Gesang erfüllt. Wir haben uns hingesetzt und lauschen den fantastischen Acapella-Klängen. Es ist schon ergreifend welche Macht die Musik besitzt; sie intensiviert all unsere Emotionen und schafft Brücken zwischen Menschen aus der ganzen Welt. Alle Pilger, die nach ihrer langen Reise endlich hier ankommen, werden die außerordentlichen Emotionen am Ende der Wallfahrt spüren können. Wie vor einigen Stunden vereinbart, treffen Rochelle und Isabel pünktlich 20:00 Uhr auf dem Platz ein und verschwinden mit uns in eine Seitengasse, in der sie mal wieder Rotwein spendieren. Sie berichten dankend und glücklich von ihrem erfolgreichen Erwerb einer Pilgerurkunde für Rita. Das Dokument erhielten sie mit Hilfe des kleinen spanischen Zettels. Wir plaudern eine Weile und bevor sie sich endgültig von uns verabschieden, teilen wir noch einen bedeutenden Teil unserer Privatleben mit ihnen und machen daraufhin eine der schönsten Erfahrungen der gesamten Reise. Resultat dieses emotionalen Augenblicks, ist ihre prompte Planänderung der kommenden Santiagotage und ein weiteres letztes Date mit ihren „Camino-Angels“.
Nach ihrer Verabschiedung ordern Cornelia und ich ein erneutes Glas Rotwein und wandeln im Nachtlicht der Stadt auf den grandios beleuchteten Kathedralsplatz zu. Eine Harfe erfüllt den Abend mit ihren verzauberten Klängen und es kribbelt uns im ganzen Körper beim Anblick der illuminierten Kathedrale. Den 24. September, unseren letzten Abend in Santiago , verbringen wir mit Rochelle und Isabel, die wir — neben Rita — während der WUNDERsamen Reise fest in unsere Herzen geschlossen haben. Auf unserem finalen Spaziergang aus der Stadt heraus, fühle ich mich ganz seltsam, aber unglaublich gut. Es sind starke Emotionen der Vollkommenheit und eines stabilen inneren Gleichgewichts. Ich fühle mich ein kleines Stückchen weiser und bin nicht nur auf der Landkarte einen Abschnitt vorangekommen, sondern auch in meinem tiefsten Inneren.
Glück, Glückstag, Glücksgriff, Glückskeks, Glücksfall, Glückskind, Glückspilz, Glücksstern, Glücksklee, Glückszahl, Glückssträhne... Aber was ist nun eigentlich „Glück“? Für das Schaf, Selma, ist es Glück jeden Morgen bei Sonnenaufgang etwas Gras zu fressen, den Kindern bis zum Mittag das Sprechen beizubringen, nachmittags etwas Sport zu treiben, dann wieder Gras zu fressen, abends etwas mit Frau Meier, dem Geier, zu plaudern und nachts tief und fest zu schlafen. Wenn Selma nun etwas mehr Zeit hätte, würde sie bei Sonnenaufgang etwas mehr Gras fressen, den Kindern bis zum Mittag das Sprechen beibringen, dann etwas mehr Sport treiben, dann wieder Gras fressen, abends ein wenig länger mit Frau Meier plaudern und dann nachts wieder tief und fest schlafen. Wenn Selma nun im Lotto gewinnen würde, würde sie bei Sonnenaufgang ganz viel Gras fressen, dann den Kindern bis zum Mittag das Sprechen beibringen, ganz viel Sport treiben und am Nachmittag wieder Gras fressen. Abends würde sie dann ganz lange mit Frau Meier plaudern und dann in einen tiefen, festen Schlaf fallen. Ich war während meiner Reise auf der Suche nach mir und habe bei dieser Suche das Glück gefunden und damit auch mich selbst. Es gibt nun, am Ende des Weges, auf einige meiner Fragen eine eindeutige Antwort. Woher allerdings die Teilchen kommen, die den Anfang des Universums (oder die Entstehung von Gott?) ausmachen, frage ich mich noch immer...
AUSRÜSTUNG
Die folgende Liste erlaubt einen intensiven Einblick in die Tiefen meines grau-schwarzen Lady-Trekkingrucksacks. Ohne Lebensmittel und Wasser ergibt sich ein Gesamtgewicht von circa 12 Kilogramm. Das Zelt haben wir uns aufgeteilt. Cornelia schleppt das Zeltgestänge und ich den Zeltstoff. Insgesamt wiegt unser Discounterzelt nur knapp zwei Kilogramm.
Trekkingrucksack mit 55 Litern Fassungsvermögen
• Zelt
• Wanderstock (meistens in der Hand)
• Schlafsack
• Isomatte
• Wanderschuhe (meistens am Körper)
• Outdoor-Sandaletten
• Regenhose und Regenjacke (atmungsaktiv) sowie Regenschutz für den Rucksack
• 3 T-Shirts (wenn man kein Bekleidungsstück verliert, sind 2 T-Shirts
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