Zwei Schritte hinter mir
stand mit einer Tüte Orangensaft vor dem
Kühlschrank und die Tropfen an seinem Kinn sagten mir deutlich, dass er direkt aus dem Karton getrunken hatte.
»Mom hat dir doch gesagt, du sollst das nicht tun«, sagte ich.
»Mom hat dir doch gesagt, du sollst das nicht tun«, äffte er mich mit einer Stimme nach, die nach gemeiner kleiner Prinzessin klang. Aber so bin ich nicht.
»Hat sie«, behauptete ich. Er war einfach nervig. »Es ist eklig.«
»So mache ich das eben.«
»Ja? Na, wenn du so eklige Sachen machen willst, solltest du dir vielleicht deinen eigenen Saft kaufen, anstatt immer bei uns zu schmarotzen.« Ich rührte keine offene Milch- oder Saftpackung in unserem Kühlschrank mehr an, denn ich wollte mir seine Bakterien nicht einfangen.
Gregg sah mich scharf an und ich glaubte schon, er würde etwas erwidern, doch da kam meine Mutter in die Küche und plötzlich strahlte er nur. Sobald sie in der Nähe war, strahlte er nur.
»Was ist los?«, fragte meine Mutter, nachdem sie ihn auf den Mund geküsst hatte, was noch ekliger war, als zuzusehen, wie er Orangensaft aus der Packung trank.
»Ich habe Steph nur gerade geraten, vorsichtig zu sein«, meinte Gregg. »Du weißt schon, weil ein Killer unterwegs ist.«
Er machte Geistergeräusche, als ob er mir damit Angst einjagen wollte.
»Das ist nicht witzig, Gregg«, erklärte meine Mutter. »Ich wünschte, die Polizei würde den Kerl endlich schnappen. Dann müssten wir uns keine Sorgen mehr machen.«
Ich hatte noch gar nicht angefangen, mir Sorgen zu machen, hauptsächlich, weil keines der beiden verschwundenen Mädchen aus unserer Stadt kam. Die erste wohnte außerhalb eines Dorfes, das nur aus einer Kreuzung (Tankstelle, Motel und ein paar Läden) und ansonsten nur aus riesigen Flächen Weide- und Farmland bestand. Da draußen war es einsam, was es nicht nur erleichterte, jemanden unbemerkt zu entführen, sondern auch erklärte, warum sich das Mädchen noch nicht eingewöhnt hatte. Wahrscheinlich hatte sie das Leben dort verrückt gemacht. Das zweite Mädchen wohnte in einem Küstenort am Highway, in dem es im Sommer von Touristen nur so wimmelte, der den Rest des Jahres aber so gut wie ausgestorben war – ein weiterer perfekter Ort für eine Entführung. Bei mir war das anders. Ich wohnte in der größten Stadt des Bezirks. Es waren immer Menschen auf der Straße. Man wurde andauernd beobachtet. Meiner Meinung nach kümmerten sich viel zu viele Menschen ständig um die Angelegenheiten anderer Leute. Also sagte ich meiner Mom, dass sie überreagiere.
Viel zu früh fuhr der Bus auf den Parkplatz der zu Ralph’s gehörte. Ralph’s war teils Restaurant, teils Lebensmittelladen an der Elgin Street und diente manchmal auch als Busbahnhof. Ich sah auf die Uhr. Wir waren ganz pünktlich angekommen. Allison war die Zweitletzte, die aus dem Bus stieg. Ich war die Letzte. Am liebsten hätte ich mich hinten versteckt und wäre als blinder Passagier wieder in die Stadt zurückgefahren. Ich wünschte, ich hätte immer noch Freunde dort, bei denen ich bleiben konnte, aber dafür war ich schon zu lange hier.
»Ich würde ja meine Eltern bitten, dich nach Hause zu fahren, aber sie sind nicht da«, sagte Allison. »Aber ich kann Judd anrufen. Es macht ihm nichts aus, dich zu fahren.«
Judd war Allisons älterer Bruder. Judd und Allison wohnten drei Häuser neben Ralph’s, ich auf der anderen Seite der Stadt.
»Nein danke, nicht nötig«, winkte ich ab. »Nach drei Stunden Sitzen im Bus vertrete ich mir ganz gerne ein bisschen die Beine. Ich gehe zu Fuß.«
»Sicher?«, fragte Allison. Ich nickte. Aber sie ließ nicht locker. »Vielleicht solltest du wenigstens vorher zu Hause anrufen, damit deine Mutter Bescheid weiß.«
»Sie ist nicht zu Hause, sie ist in ihrem Buchklub. Und Gregg ist unterwegs.« Gott sei Dank. Dann hatte ich das Haus für mich, wie es mir am liebsten war. »Ich gehe nach Hause und nehme ein Schaumbad.« Ein schönes langes Bad war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
Allison war immer noch nicht zufrieden. »Ich gehe mit«, entschied sie. »Und wenn wir bei dir sind, rufe ich Judd an, damit er mich abholt.«
Seht ihr, was ich meine? Allison war bereit, mit mir durch die ganze Stadt zu laufen, nur damit ich sicher nach Hause kam. Sie war die beste Freundin der Welt.
»Du hörst dich schon an wie meine Mom«, behauptete ich. »Du machst dir zu viele Sorgen. Ich komme schon an. Ich rufe dich morgen an. Versprochen.«
Ich ging bis
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