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Zwei Schritte hinter mir

Zwei Schritte hinter mir

Titel: Zwei Schritte hinter mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah McClintock
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Beinen und Füßen hindurch, bis ich die Fessel schließlich vor meinem Körper hatte. Das war ein Forschritt.

    Ich drehte mich um und benutzte den Nagel wie einen harten, geraden Finger, um den Knoten im Seil zu lockern. Jetzt, wo ich sehen konnte, was ich tat, ging es viel schneller. Ein paar Minuten später kam der Durchbruch! Meine Handgelenke waren frei. Ich knetete meine Finger, um den Blutkreislauf anzuregen, dann knotete ich die Fußfessel auf.
    Taumelnd richtete ich mich auf und stolperte zur Tür der Hütte. Sie war nicht verschlossen. Ich öffnete sie und sah hinaus. Plötzlich verließ mich der Mut. Da draußen war nichts als dunkler Wald, so weit ich sehen konnte.
    Ich hatte keine Ahnung, wo ich war.

4
    Hätte ich mich ein paar Jahre zuvor irgendwo in der Wildnis in der gleichen Situation befunden, hätte ich wahrscheinlich einfach die Tür aufgemacht und wäre losgerannt. Es wäre mir egal gewesen, in welche Richtung ich lief. Ich hätte nur so weit wie möglich von dieser Hütte wegkommen wollen.
    Aber heute war es anders. Jetzt wusste ich mehr. Ich wusste, dass ich besonnen bleiben musste. Ich wollte nicht nur weg, ich wollte nach Hause. Und dazu brauchte ich einen Plan.
    Zunächst einmal musste ich mich orientieren.
    Ich ging so weit in den Wald hinein wie möglich, ohne die Hütte als Bezugspunkt aus den Augen zu verlieren. Ich kam zu dem Schluss, dass mein Entführer mich wahrscheinlich mit einem Auto oder Laster hergebracht haben musste, also umkreiste ich die Hütte in weitem Bogen und achtete auf Anzeichen für eine Straße, einen Weg oder auch nur Reifenspuren. Doch ich fand nichts.

    Ich suchte nach einem See oder Bach, irgendetwas, an dem ich entlanggehen konnte, das irgendwohin führte.
    Aber ich sah nur noch mehr Bäume.
    In der Ferne stieg das Gelände zu einem Hügel an. Hinter den Spitzen der höchsten Bäume ging die Sonne unter.
    Bald würde es vollkommen dunkel sein.
    Ich ging zur Hütte zurück und durchsuchte sie erneut, diesmal nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Händen. Abgesehen von den Tellern, die ich gesehen hatte, fand ich ein verbogenes Besteckset aus Messer, Gabel und Löffel zum Ineinanderstecken. Ich legte es zur Seite. Ein halbes Knäuel Garn, zwei Sicherheitsnadeln und eine alte Feldflasche aus Metall, die aussah, als hätte sie schon einen Weltkrieg überstanden, wahrscheinlich den Ersten, legte ich ebenfalls beiseite. Nach Essen suchte ich vergeblich. Bei einer dreckigen, mottenzerfressenen Decke zögerte ich. Ich trug noch immer die Sachen, die ich in der Stadt angehabt hatte: Jeans, Turnschuhe, langärmeliges T-Shirt und eine leichte Jacke. Das reichte nicht annähernd aus, um mich warm zu halten, schon gar nicht nachts. Also schüttelte ich die Decke aus und rollte sie zusammen. Die einzigen anderen Dinge, die sich möglicherweise als nützlich erweisen konnten, waren ein Stück Seil und eine dicke Plastikplane. Ich suchte nach
Streichhölzern, einer Taschenlampe oder einem Feuerzeug – irgendetwas, mit dem ich Feuer machen oder im Dunkeln sehen konnte, aber da hatte ich kein Glück.
    Ich steckte das Besteckset, die Sicherheitsnadeln und die Kordel in meine Tasche und wickelte die Flasche und die Decke in die Plastikfolie. Im letzten Moment steckte ich noch eine Metallschüssel dazu. Das Bündel verschnürte ich mit dem Seil und machte eine Schlaufe, die lang genug war, dass ich das Bündel über die Schulter schlingen konnte.
    Die Sonne war in der Zwischenzeit tiefer gesunken, aber das würde mich nicht aufhalten. Ich öffnete die stabile Tür der Hütte und ging hinaus.
    Es heißt, wenn man sich im Wald verlaufen hat und nicht weiß, wo man ist, ist es am Klügsten, zu bleiben, wo man ist. Damit verbessert man die Chancen, gefunden zu werden. Aber mir würde das nicht helfen. Ich hatte mich nicht verlaufen, weil ich eine falsche Abzweigung genommen oder den Weg verloren hatte. Ich war hier, weil mich jemand entführt, gefesselt und hierher gebracht hatte – jemand, der wahrscheinlich vorhatte, mich zu töten. Hier zu bleiben, wäre das Dümmste, was ich tun konnte.

    Ein Dreiviertelmond sah vom bewölkten Himmel herab. In seinem silbrigen Licht konnte ich die Anhöhe erkennen. Ich ging darauf zu und lief stetig bergauf.
    Die Augen auf den Boden geheftet ging ich so schnell wie möglich. Auch wenn ich mich bemühte, zu sehen, wohin ich trat, stolperte ich doch Dutzende Male über Baumwurzeln und Felsen, die in der Dunkelheit des Waldbodens verborgen

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