Zwei Schritte hinter mir
– jetzt draußen. Vielleicht
streckte er bereits die Hand aus, um die Tür zu öffnen. Vielleicht kam er gerade herein.
Gedanke: Wenn er kam, würde er das mit mir machen, was er mit den beiden anderen Mädchen gemacht hatte.
Gedanke: Ich werde sterben.
3
Starr vor Angst lag ich auf dem rauen Boden der dreckigen Hütte. Wochenlang hatte ich von den beiden vermissten Mädchen gehört, aber nie im Leben hätte ich geglaubt, dass mir so etwas passieren könnte.
Aber hier lag ich, gefesselt, erschöpft, verängstigt und wartete, wartete auf den, der mich gefangen genommen hatte, auf das, was dem Mädchen passiert war, das man nicht lebend aufgefunden hatte. Und auf das, was aus dem anderen Mädchen geworden war.
Und die ganze Zeit über schrie es in meinem Kopf: Das kann nicht sein! Aber es war so.
Ich lag still, hielt den Atem an und lauschte auf Geräusche außerhalb der Hütte. Doch alles, was ich hörte, war das Hämmern meines eigenen Herzens. Was war, wenn er auf der anderen Seite der Tür stand? Vielleicht hatte er die Hand auf der Klinke und wollte sie herunterdrücken?
Ich kämpfte mit den Tränen. Ich sagte mir, dass Weinen jetzt nichts nutzte. Ich weiß nicht, was die anderen
Mädchen getan hatten, als sie entführt worden waren, aber ich wusste, was ich tun würde: Ich würde kämpfen. Was blieb mir anderes übrig? Ich hatte nichts zu verlieren.
Ich zwang mich zu atmen. Zu atmen und nachzudenken.
Wieder lauschte ich – und vernahm nichts außer dem gelegentlichen Rufen eines Vogels. Minuten vergingen. Vielleicht war er gar nicht da draußen. Vielleicht hatte er mich hier gefesselt zurückgelassen und war weggegangen … warum? Um Vorräte zu holen? Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was für Vorräte ein solcher Mann brauchte. Vielleicht war er auch weggegangen, weil er seine Spuren verwischen musste. Vielleicht würde es jemand bemerken, wenn er so plötzlich verschwand. Vielleicht traf er auch Vorbereitungen, aus seinem normalen Leben auszubrechen und zurückzukommen, wahrscheinlich in der Nacht.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie spät es war. Allison und ich waren kurz nach Einbruch der Dunkelheit am Samstag aus dem Bus gestiegen und gleich danach war ich entführt worden. Durch eines der schmutzigen Fenster der Hütte fiel fahles Sonnenlicht. Es war also Tag und das hieß, zumindest Sonntag. Aber wann am Sonntag? Hoffentlich morgens. Bitte!
Langsam wurde es dunkler in der Hütte. Zugleich
wurde es kälter und ich begann zu zittern. Es war doch nicht Morgen. Es musste Sonntagnachmittag sein – wahrscheinlich später Sonntagnachmittag. Oh mein Gott. Wenn er bis zum Abend wartete, um zurückzukommen, musste er bald wieder hier sein.
Keine Panik. Denk nach. Mit Panik kommst du nicht weiter. Wenn du nachdenkst, hast du eine Chance.
Wenn es Sonntagabend war, dann würde mich meine Mutter auf jeden Fall vermissen. Sie wusste bestimmt, dass etwas nicht stimmte. Und sie hatte garantiert die Polizei verständigt. Das war gut. Aber dann? Hatte die Polizei Freiwillige angeheuert, die nach mir suchten? Wenn ja, wo suchten sie? Wo war ich?
Die Minuten verstrichen, aber der Mann kam nicht wieder. In der Hütte wurde es immer düsterer. Ich musste etwas unternehmen, bevor es zu spät war.
Ich kämpfte gegen die Fesseln um meine Hände und Füße an, aber sie waren zu fest. Mein Mund war trocken. Mir knurrte der Magen, mein Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt. Doch das durfte mich nicht ablenken. Ich musste mich nur auf eine einzige Sache konzentrieren – Flucht.
Ich sah mich in der Hütte um. Die Staubschicht auf dem kleinen Ofen an der Wand ließ mich vermuten, dass in letzter Zeit niemand hier gewesen war. In den Ecken unter der Decke und von den beiden schiefen Regalen an der Wand hingen Staubweben wie Spitzendecken
herab. Auf der zerrissenen, fleckigen Matratze, die schief auf einem erhöhten hölzernen Schlafbereich hinter mir lag, war Mausekot. Auf dem Boden darunter war noch mehr davon.
Mein Blick richtete sich wieder auf die Regale. Auf einem standen eine Metallschüssel, ein gesprungenes, dreckiges Glas und ein paar Teller. Ich fragte mich, ob es irgendwo vielleicht Besteck gab. Ein Messer vielleicht.
Doch ich sah keines.
Ich suchte jeden Zentimeter der Hütte ab. Sie war grob aus Sechs-Zoll-Latten und Vierkantpfosten zusammengebaut worden. Offenbar gab es keine Isolierung, was bedeutete, dass der Besitzer die Hütte wohl hauptsächlich im Sommer
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