Zwei Sonnen am Himmel
spöttische Herablassung dieses Mannes hinderte nicht seinen Instinkt, die erschreckende Macht des Bösen in ihm zu erahnen. Ihm war, als stünde er am Rand eines Abgrunds, der in ein grauenvolles totales Nichts führte. Er presste die Zähne so fest zusammen, dass die Worte fast zischend hindurchdrangen. »Du hast meinen Vater ermorden lassen!«
Atlar zog die Brauen hoch. »Womit begründest du deinen Verdacht? Für einen so begnadeten Künstler wie Ato wäre Mord eine allzu einfache und zu wenig ⦠gekonnte Lösung gewesen. Ãberdies sind meine Nerven empfindlich. Ich verabscheue Grausamkeiten und Blut. Von einem gewissen Stadium der Vergeistigung an kann der Tod nur noch als ein törichter, ungeheurer Irrtum der Natur aufgefasst werden. Glücklicherweise haben wir dem abhelfen können. Was den Goldschmied und die alte Frau betrifft ⦠nun, einige meiner Befehle wurden missverstanden. Ich war damals noch jung ⦠und vielleicht etwas zu ungestüm.«
Usir stand wie versteinert. Eine unerklärliche Kraft schlug mit derartiger Wucht auf ihn ein, dass jeder Nerv in ihm rebellierte. Doch er wandte die Augen nicht ab. »Wie soll ich das verstehen?«, fragte er schroff.
»Es ist nicht von Wichtigkeit, mein Sohn«, entgegnete gleichmütig der Priester-König.
Usir holte tief Atem. Jene eigenartige Kraft, die Atlar ihn spüren lieà ohne einen Muskel zu bewegen, war dennoch stark genug, um ihn von seinem Entschluss abzubringen. »Und Torr, wo ist er?«, warf er herausfordernd ein.
Atlar stützte sich auf seine schmalen weiÃen Hände und richtete sich langsam im Ruhebett auf.
Unwillkürlich umklammerte Usir seinen Dolchgriff, als der Priester-König im Halbdunkel in voller GröÃe vor ihm stand.
»Geduld, du wirst ihn gleich wieder sehen«, sagte er.
»Glaub mir, sein Los ist dem Los vorzuziehen, das bald die Mehrzahl von uns erwartet.«
Trotz seiner Selbstbeherrschung fuhr Usir zusammen. Von weit her vernahm er schlieÃlich seine von ungläubigem Staunen erfüllte Stimme: »Er lebt also?«
Atlar ging auf die Frage nicht ein. Ein sonderbares Lächeln verzerrte seine Lippen. Die roten Leuchtpünktchen flammten in den finsteren Augen auf. »Ich kenne auch den zweiten Grund deines Besuches«, fuhr er in nachsichtigem, etwas spöttischem Ton fort. »Er betrifft die gefangene Amazone â¦Â«
Usir spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Wo ist sie?«, stieà er hervor.
Atlar lieà wieder sein eigenartiges Kichern hören. Er klatschte in die Hände. Der schwarze Vorhang teilte sich. Ein weià gekleideter Diener erschien, den Kopf auf die Brust geneigt. Atlar sagte leise einige Worte zu ihm. Der Diener verbeugte sich und verschwand. Einige Augenblicke vergingen in tiefem Schweigen. Usirs Herz schlug so heftig, dass er glaubte, der Priester-König müsste es hören.
Plötzlich teilte sich der Vorhang: Isa trat in den Raum. Usir wollte auf sie zugehen, doch er beherrschte sich. Befremdet starrte er auf das Mädchen. Blass und mit gelöstem Haar stand sie vor ihnen. Sie trug ein Gewand aus fein gewebtem, grünblauem Stoff, das die rechte Schulter freigab und in der Taille von einem silbernen Gürtel zusammengehalten wurde. Das schlichte Kleid unterstrich die beeindruckende natürliche Anmut der jungen Amazone. Doch ihre Augen, die sonst voller Kühnheit funkelten, blickten trübe und starr ins Leere. Die Pupillen waren wie unter dem Einfluss von Drogen erweitert.
Atlar betrachtete sie mit zufriedenem Ausdruck. Dann wandte er sich an Usir.
»Sie ist schön, nicht wahr? Ich beklage es zutiefst, dass keine Zeit mehr bleibt, die metallene Hülle vorzubereiten, die so viel Anmut festhält und für alle Zeiten bewahrt. Der Sturm hat den Bau des Schiffs verhindert. Man wird die Arbeiten nicht wieder aufnehmen können. Wozu auch?«
»Was ist mit ihr geschehen?« Usirs Stimme war heiser vor Empörung.
Atlars Lippen umspielte ein spöttisches Lächeln. »Sie wurde leicht beruhigt; die Frauen hatten Angst vor ihr. Vor zwei Tagen versuchte sie zu fliehen. Natürlich weià ich, dass du sie vor den Haien gerettet hast. Und ich weià auch, dass ihr ein Komplott geschmiedet habt â¦Â«
Er schüttelte nachsichtig den Kopf. »Was für Kindereien! Eure Flucht wäre sinnlos gewesen. Es sind nicht nur Fallgitter, die diesen Palast
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