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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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finsterer wurde der Gang. Eisige Kälte schlug ihnen entgegen. Usir fragte sich, ob Torr wohl freiwillig dem Priester-König auf diesem Weg in die Finsternis gefolgt war oder ob ihn dieselbe unerklärliche Macht, die von diesem Mann ausging, bezwungen hatte, die nun auch sie ins Unbekannte führte.
    Irgendwo plätscherte Wasser. War es eine unterirdische Quelle oder …?
    Mit einem Mal erweiterte sich der Gang zu riesenhaften Ausmaßen. Dem bläulich schillernden Gewölbe folgte nackter, Feuchtigkeit ausschwitzender Fels. Das Licht blieb als ein Streifen Helligkeit hinter ihnen zurück. Und plötzlich war das Tosen der Brandung und das Aufklatschen der Wogen an die Felsen deutlich zu vernehmen. So ist es also doch wahr, was die Leute sich erzählen, dachte Usir. Die Grundpfeiler des riesigen Bauwerkes waren über einem unterirdischen Meer errichtet worden …
    Eine seltsame Erregung schnürte ihm die Kehle zu. Wie im Traum schritt er hinter dem Priester-König her. Ein leichter Wind war aufgekommen und blähte die Falten des schwarzen Mantels. Atlar glich einer menschengroßen Fledermaus, die lautlos über den Boden glitt.
    Der Stollen erweiterte sich mit einem Male, führte in düstere, Schwindel erregende Höhen empor. Grünliche Tropfsteingebilde hingen von dem hohen Gewölbe herunter. Eine Art Mole war in den Fels gehauen. Auf den Steinen hatten sich glänzende Pfützen gebildet. Tiefschwarzes Wasser schlug gurgelnd hoch. Fröstelnd hüllte sich Isa in die Falten ihres Mantels.
    Der Priester-König blieb stehen und wandte sich Usir zu. Sein Gesicht war unter der Kapuze nur undeutlich zu erkennen, aber der auf ihm ruhende Blick genügte, um Usir erschaudern zu lassen.
    Â»Ich weiß«, sagte er, als ob er Usirs Gedankengang fortsetzte, »ich weiß, dass nur wenige Menschen von diesem Meer Kenntnis besitzen. Und diejenigen, die darum wissen, haben … keine Möglichkeit, davon zu reden. Natürlich gehen Sagen um und deren Verbreitung muss gefördert werden. Es ist gut, wenn das Volk ein Geheimnis erahnt, das sein Begriffsvermögen übersteigt. Solche Vermutungen erzeugen Furcht und stärken die Macht des Herrschers …«
    Seine Augen funkelten belustigt. »König zu sein ist keine leichte Aufgabe, mein Sohn. Würdest du sie besser bewältigen als ich?«
    Usir trafen seine Worte wie ein Schlag ins Gesicht und er fühlte, dass sich ihm wie bei einer tatsächlich verabreichten Ohrfeige die Wangen röteten. Er sah, wie Isas Züge erstarrten. Ihre großen grünen Augen weiteten sich staunend und ihre Lippen öffneten sich fragend. Usir stand regungslos da. Ich bin ihr eine Erklärung schuldig, ging es ihm durch den Kopf. Wie kann ich … Doch Atlar kam ihm zuvor. Er wandte sich mit leisem Kichern an Isa, und Usir bemerkte erneut die schreckliche Fähigkeit dieses Mannes, in ihren Gedanken zu lesen.
    Â»Du bist überrascht, Prinzessin? Aber so ist es. Er trägt den heiligen Ring der Macht. Er ist der Erbe dieses dem Untergang geweihten Königreiches, das das Volk von Poseidonis bald verlassen wird wie Ratten das sinkende Schiff, um im Ozean zu ertrinken. Es ist mir nicht vergönnt, ihn zu bekämpfen wie einen Thronfolger. Dazu reicht die Zeit nicht mehr. Ich kann ihn nicht einmal meinen Zorn spüren lassen. So bleibt mir nichts anderes als der Wunsch, mich noch ein wenig zu zerstreuen …«
    Seine Stimme erlosch. Usir und Isa hielten den Atem an. Sie empfanden die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, als eine größere Gefahr als jede ausgesprochene Drohung.
    Atlar machte ein Zeichen. Seine Nägel glänzten auf dem dunklen Stoff seines Mantels. »Kommt!«, sagte er dumpf. Die jungen Leute folgten ihm wie gebannt. Als sie über die Mole schritten, bemerkte Usir einen breiten, schweren Eisenring, der in den Felsen eingelassen war. Ein dickes Tau war um den Ring geknotet. Im Halbdunkel entdeckte Usir ein Boot, das leicht von der Dünung hin und her geschaukelt wurde. Es war aus schwarzem, glattem Holz, sehr lang und schmal. Am Bug trug es das Bild einer zu einer Spirale zusammengerollten Schlange, mit einer goldenen Sonnenscheibe in ihrer Mitte.
    Â»Das ist mein Privatboot«, sagte Atlar. »Es wurde so gebaut, dass es die engen unterirdischen Kanäle befahren kann, und verfügt über die entsprechenden Orientierungsinstrumente, die in der Dunkelheit

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