Zwei Stunden Mittagspause
Kriminalpolizei erzählt«, sagte die Friseuse, ein junges Mädchen mit einem zu einem blonden Berg hochtupierten Haarwald, vollen, rotgeschminkten Lippen und Augen, die in dunkel getönten Augenhöhlen schwammen. »Frau Großmann kam viermal in der Woche zu uns, jeden Tag, außer Mittwoch und Samstag …«
»Das stimmt«, sagte Großmann. »Und weiter?«
»Was weiter? Nach einer Stunde ging sie wieder weg.«
»Wieso nach einer Stunde?«
»Weil sie dann fertig war.«
Großmann starrte seinen Sohn und seinen Freund Zumbach entgeistert an.
»Eine Stunde …«, stotterte er. »Aber Margot blieb doch immer mindestens drei bis vier Stunden fort … Meistens ging sie um elf und kam gegen drei zurück …«
»Frau Großmann ist noch nie von uns nach zwölf weggegangen.« Die Friseuse hob die schmalen Schultern, als müsse sie sich dafür entschuldigen. »Wenn Frau Großmann um elf Uhr kam, wußten wir alle hier: Sofort 'ran! Nicht länger als eine Stunde. Meistens dauerte es nicht einmal so lange.«
»Danke. Das … das ist sehr wichtig.« Großmann gab dem Mädchen ein Fünfmarkstück, das es wortlos in die Tasche seines rosa Kittels gleiten ließ. Dann verließ er den Salon mit gesenktem Kopf, schlurfend wie ein Blinder, der den Kontakt mit der Straße sucht. Draußen, neben dem Friseursalon blieb er stehen und blickte die anderen aus völlig leeren Augen an. Man spürte, daß etwas in seinem Inneren zerrissen war.
»Begreift ihr das?« fragte er leise.
»Ja!« Zumbach sagte es schnell, um das kommende Gespräch unter Kontrolle zu haben. »Was wir alle nie wahrhaben wollten … Benno, reiß dich zusammen … kommt jetzt klarer ans Licht: Margot führte eine Art Doppelleben. Vielleicht ist das etwas hart ausgedrückt … sagen wir, sie nahm sich Stunden, die nur ihr gehörten, ihr ganz allein, von denen keiner etwas wußte oder auch nur ahnte. Stunden, von denen sie keine Rechenschaft ablegen wollte … oder auch nicht konnte.«
»Das … das traust du Margot zu?« fragte Großmann heiser.
»Wer kann eine Frau ergründen, Benno?« fragte Zumbach philosophisch zurück.
»Und wo ist sie jetzt?«
Diese Frage wanderte mit ihnen, als sie begannen, systematisch das Leben Margots aufzurollen.
Sie fuhren überallhin, wo Margot einmal gewesen war, wovon sie erzählt hatte, zu Leuten, von denen Großmann wußte, daß Margot mit ihnen in Berührung gekommen war.
Vier Tage dauerte diese Rundfahrt. Vier Tage, in denen die Polizei sich dreimal meldete: einmal mit dem Laborbericht … das Blut auf dem Polster war Tierblut. Vermutlich von einem Huhn. Hatte es in letzter Zeit frisches Huhn bei Großmanns gegeben?
Benno wußte es nicht, er hatte kein Interesse mehr an diesem verfluchten Blut auf dem Polster … er wühlte sich durch das geheimnisvolle tägliche Leben seiner Frau wie ein Maulwurf durch einen schweren lehmigen Boden.
Das zweite Mal teilte die Polizei mit, daß man Frau Großmann jetzt in die Vermißtenliste aufgenommen habe und daß sie im Fahndungsblatt stehe.
Als drittes meldete sich Meier III mit der Nachricht, die Mordkommission würde sich jetzt intensiv um den Fall kümmern, denn er enthalte einiges Geheimnisvolles. Mehr sagte Meier III nicht und hängte ein.
»Sie alle versagen!« schrie Großmann nach diesem dritten Anruf. »Abwarten! Geduld haben! Worauf warten? Wissen wir nicht schon genug? Aber ich will mehr wissen, ich will alles wissen! Suchen wir weiter.« Und die Rundfahrten wurden fortgesetzt.
Zumbach erschien nur noch in seinem Architekturbüro, um Unterschriften zu leisten und Anleitungen zu geben. Große Projekte stellte er zurück. Er konnte es sich leisten, ein paar Tage nichts zu tun. Für ihn war es jetzt die wichtigste Sache der Welt, Großmann nicht allein zu lassen. Wie ein Jagdhund, der den Schweiß des angeschossenen Wildes aufgenommen hat, strich dieser durch die Stadt.
Stationen einer eleganten Frau: ein Hutsalon, drei Modeateliers, zwei große Modellhäuser, drei exklusive Schuhgeschäfte mit italienischen Schuhen, ein Pelzatelier, zwei Juweliere, eine Mantelhaus, ein Spezialgeschäft für Stickereien und Bettwäsche, zwei Boutiquen, zwei Cafés, ein Teppichhändler …
Großmann suchte alles an Rechnungen zusammen, was er noch fand. Er schrieb die Namen auf den Etiketten in den Kleidern und Kostümen, Mänteln und Wäschegarnituren ab und scheute sich nicht, in drei Miederwarengeschäfte zu gehen und nach seiner Frau Erkundigungen einzuholen.
Ein Versteckspielen war
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