Zwei wie wir: Roman (German Edition)
Balance halten«, erklärt er.
Ein paar Schüler fragen etwas. Robby antwortet, lässt die Schüler dann üben, geht herum und korrigiert sie. Bei Inna gibt er sich besonders viel Mühe. Er richtet ihren Rücken auf, biegt sie zurecht, lobt sie. Mann, Typ, nimm die Finger von meiner Frau.
Dann klatscht Robby in die Hände. Der Unterricht ist zu Ende. Kurzer Applaus, die Schüler strömen zu den Umkleidekabinen.
Inna bleibt noch im großen Unterrichtsraum, um mit Robby zu plaudern. Ich trete durch die große Tür in den Vorraum des Studios. Die Tür streift gegen ein Windspiel, das von der Decke hängt. Robby sieht in meine Richtung. Ich halte den riesigen Rosenstrauß vor mein Gesicht, sodass weder er noch Inna mich erkennen können. Es gibt ein paar anerkennende Blicke der anderen Schüler, die im Vorraum stehen und sich unterhalten. Der Strauß ist beeindruckend. Das will ich doch sehr hoffen.
Ich trete durch die Tür in den Übungsraum, immer noch gut getarnt hinter den Rosen. Inna quatscht mit Robby. Ich will sie nicht unterbrechen. Sie blickt kurz rüber, murmelt etwas von tollen Blumen, hat ein bezauberndes Lächeln auf den Lippen.
»Sind die etwa für mich?«, fragt sie – aber nicht mich, sondern Robby.
Der lächelt ebenfalls, schüttelt aber den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, von wem die sind. Ich bin diesmal leider nicht der Kavalier.«
»Ach, das musst du auch gar nicht. Schließlich hast du mir erst letzte Woche eine n wunderschönen Strauß geschenkt.«
»Und das war bestimmt nicht der letzte.«
Die beiden sehen sich an, strahlen, ihre Lippen finden sich zu einem Kuss zusammen, sie umschlingen sich, der Kuss wird nasser und intensiver. Und mich verlässt die Lebensenergie Chi. Und zwar für immer. Jedenfalls fühlt es sich so an.
»Kommst du gleich noch mit zu mir?«, fragt Robby.
Inna lächelt. »Das klingt nicht schlecht.«
Sie löst sich von Robby und sieht erwartungsvoll in meine Richtung. »Jetzt möchte ich aber doch wissen, für wen die Blumen sind.«
Ich lasse die Rosen sinken, die Schultern, überhaupt alles. Inna erkennt mich und zuckt zurück.
»Für dich. Die Rosen sind für dich«, sage ich.
»Oh«, sagt Inna.
»Oh«, sagt Robby.
»Oh«, sage ich.
38
Z w ei Tage später. Ich steige ins Auto und fahre los, Ziel unbekannt. Ich halte es an einem Fleck einfach nicht aus.
Ich drehe das Radio auf und höre Musik. Ist mir egal, was läuft. Hauptsache laut. Ich ertrage sogar einen Song der Scorpions.
Dann ist es so weit. Ich schreie, und zwar mit mindestens 120 Dezibel. Ein Presslufthammer, ein startender Jet, ein One-Man-Rockkonzert. Ich bin lauter. Ich hätte einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde verdient.
Ich vermute, dass die Menschheit erst dann vom Auto als Massentransportmittel ablassen wird, wenn wir etwas anderes gefunden haben, wo wir so ungehemmt schreien können. Vorher werden die Leute am Auto festhalten. Ich jedenfalls werde es.
S i e hat also einen anderen. Und ich darf mich nicht einmal darüber beschweren. Inna wäre schließlich nicht Inna, wenn sie sich mein Verhalten einfach gefallen ließe. Sie war noch nie Opfer, sie war schon immer Täter. Die Generalin. Eigentlich mag ich das ja an ihr. Mochte es schon immer. Sie nimmt die Dinge in die Hand. Sie wartet nicht einfach ab, dass etwas passiert. Sie wird aktiv. Dafür habe ich sie immer bewundert.
Und genau deshalb werde ich sie jetzt verlieren.
M e in Auftritt im Tai Chi-Studio war zugegebenermaßen erbärmlich. Der absolute Tiefpunkt. Ich bin ausgeflippt, habe mit Rosen um mich geworfen wie ein durchgeknallter Karnevalsprinz, habe rumgeschrien und wäre beinahe auf Robby losgegangen. Zum Glück haben mich ein paar andere Teilnehmer der Gruppe, die wegen dem Geschrei in den Übungsraum gestürzt sind, festgehalten.
Als ich mich immer noch nicht beruhigen wollte, haben sie mich dann zur Tür gebracht und ziemlich unsanft ins Freie befördert, wo ich dann auf dem kopfsteingepflasterten Innenhof vor dem Studio gelandet bin. In einer Pfütze. Der Länge nach.
Gespielt, gesetzt – und alles verloren. Am liebsten wäre ich auf der Stelle ertrunken. Aber eine zwei Zentimeter tiefe Pfütze reicht nur, um nass und dreckig zu werden. Und nicht um darin unterzugehen.
Anschließend bin ich mit schlurfenden Schritten davongegangen. Ich wollte zurück ins Schuster’s. Denn dort würde ab sofort mein trister, einsamer Lebensabend beginnen.
Plötzlich hörte ich Innas Stimme hinter mir. »Warte, Alex. Nicht so
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