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Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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von vorne anzufangen. Aber ich muss mich bald entscheiden. Denn alles, was jetzt kommt, kann noch etwas Richtiges werden. Danach aber wäre es so wie bei Achim. Die feuchten Träume eines alten Mannes.
    Das ist vermutlich der Sinn der zurückliegenden Wochen. Ich habe eine zweite Chance bekommen. Alles ist offen. Ich bin frei. Inna lässt mich gehen. Wenn ich will.
    Aber will ich wirklich?
    I c h muss an La Gomera denken. Unsere Flitterwochen. Wir hatten eine kleine Bucht entdeckt, in der wir ganz alleine waren. Sie, ich, der kleine Julian. Wir kamen uns vor wie die Robinson-Familie. Wir stellten uns vor, auf einer einsamen Insel gestrandet zu sein und nie gerettet zu werden. Genauso wollten wir es.
    Oder später dann, als Emma auf der Welt war und die Dinge anstrengend wurden. Ein kleines Familienunternehmen. 18-Stunden-Schichten, von morgens um sechs bis Mitternacht. Natürlich war es die Hölle. Aber es gab diese magischen Momente, spät am Abend, wenn die Kinder schliefen, und wir alleine in der Küche oder auf der Terrasse saßen. Wir waren total erledigt, sahen uns an, berührten uns an den Händen. Das war unser Leben, wir hatten es erschaffen, unser Werk. Wir waren zufrieden auf eine Art, die wir zuvor nicht gekannt hatten.
    Kann es überhaupt besser werden als das?
    Und will ich es denn?
    Ich habe eine zweite Chance bekommen. Und eigentlich ist es Wahnsinn, diese zweite Chance dazu zu nutzen, um noch einmal dasselbe zu machen wie beim ersten Mal. Und mich noch einmal für dieselbe Frau zu entscheiden.
    Andererseits, dieser Wahnsinn gehört doch dazu. Ohne ihn geht es nicht.
    I c h denke an die zurückliegenden Wochen, an alles, was ich erlebt habe. Daran, was mir eigentlich alle gesagt haben. Sogar der Lama hat es mir gesagt. Irgendwie. Nämlich dass ich ein Idiot bin.
    E i n Riesenidiot.
    D e r größte Idiot aller Zeiten!

37
    E i nige Tage später. Der Kloß in meinem Hals ist groß genug, um als Meteor dritter Klasse eingestuft zu werden und einen eigenen Namen zu erhalten.
    Es ist ein Dienstagabend. Inna wird, wie immer, in Winterhude sein, dem Hamburger Stadtteil, in dem sie zum Tai Chi geht. Ich möchte sie überraschen und sie in dem kleinen Studio abholen.
    Ich werde sie um Verzeihung bitten. Für alles. Und dann werde ich vor ihr auf die Knie sinken, wie damals, 1997. Ich werde sie noch einmal fragen. Ob sie mit mir leben möchte.
    Dann werde ich sie an der Hand nach draußen führen, wo ein Mercedes von 1963 bereit stehen wird. Auch wie damals, vor dreizehn Jahren, als wir geheiratet haben. Und danach, wenn alles wieder gut ist, werden wir gemeinsam in die Ferne fahren.
    Ihr Kurs endet um 21 Uhr. Ich komme extra etwas zu früh, schließlich soll mein Auftritt besonders wirkungsvoll sein. Die übrigen Mitglieder des Kurses dürfen ruhig noch da sein und Zeugen des Geschehens werden. Am Nachmittag habe ich in allen umliegenden Blumengeschäften alles an roten Rosen zusammengekauft, was zu haben war. Jetzt bin ich pleite und habe zerstochene Finger.
    Aber Inna liebt Rosen. Und ich liebe Inna.
    I c h stelle den Mercedes zwei Straßenecken weiter ab, schließlich soll sie nicht sofort sehen, was ich mir überlegt habe. Zu Fuß lege ich die letzten Meter zurück. Die Passanten, die mir entgegenkommen, sehen mich unsicher an. Rosenverkäufer stammen normalerweise aus Pakistan oder Indien. Nicht aus Norddeutschland. Einige der Passanten denken sich ihren Teil und lächeln mich freundlich an. Ein nicht mehr ganz junger Mann, der auf dem Weg zu seiner Prinzessin ist.
    Das Studio ist im Hinterhof einer alten Wäscherei. Altes Backsteingemäuer, aufwendig restauriert. Bodentiefe Sprossenfenster, Parkettboden, hohe Decken. Alles ziemlich exklusiv und teuer. Winterhude halt.
    Ich bleibe im Schatten einer Mauer stehen und blicke von draußen durch die großen Fenster hinein. Ein Mann steht vorne vor einer Gruppe und demonstriert ein paar Tai Chi-Bewegungen. Es ist Robby, Innas Tai Chi-Lehrer. Netter Typ. Er war schon bei uns zum Abendessen. Ein wenig esoterisch. Aber das ist Inna schließlich auch. Die beiden können sich problemlos einen ganzen Abend über kosmische Energie, Wiedergeburt und die alten Schriften des Laotse unterhalten.
    Durch das gekippte Fenster kann ich hören, was drinnen gesprochen wird. Robby erzählt etwas über Yin und Yang, das ewige Tao, das Zentrum des Körpers, die Lebensenergie Chi. Dann hebt er den rechten Arm und das linke Bein. »Seht ihr, so müsst ihr es machen. Immer die

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