Zwei wilde kleine Hexen
»Und du?«
»Ich?« Rosanna wedelte ihr mit Elfriedes Tütchen vor der Nase herum. »Ich koch mir einen Tee. Mal sehen, ob der genauso gut wirkt wie ihr Wetterzauber.«
Als sie zum Eiscafé kamen, waren drinnen immer noch alle Tische leer. Aber draußen im Hof drängten sich die Leute. Sogar der Mann mit dem Pudel war wieder da.
Lächelnd hasteten Rosannas Eltern mit vollen Tabletts von einem Tisch zum nächsten.
»Gehen wir rein«, sagte Rosanna. »Hier ist es mir zu voll.«
Sie setzten sich an ihren Lieblingstisch, lauschten dem Stimmengewirr draußen – und grinsten sich an.
»Was sagt ihr dazu?«, fragte Rosannas Mutter, als sie Lilli ein Rieseneis brachte. »Ist das nicht wunderbar?«
»Wunderbar!«, sagte Lilli und machte sich über ihr Eis her. »Wie verhext!«
Rosanna trat ihr unterm Tisch auf den Fuß. Lilli trat zurück und sagte: »Übrigens, eins würde ich ändern.«
»Was denn?« Sofort sah Rosannas Mutter wieder besorgt aus. »Schmeckt unser Eis dir plötzlich nicht mehr?«
»Nein, nein, das ist köstlich.« Lilli schob sich gleich noch mal den Löffel zwischen die Lippen. »Nein, ich mein die Blumen.«
»Die Blumen?« Verständnislos sah Rosannas Mutter sie an.
»Ja, die Blumen. Nelken sind überhaupt nicht gut. Rosen wären viel schöner. Oder Vergissmeinnicht. Vergissmeinnicht wären am besten.«
»Vergissmeinnicht?« Rosannas Mutter zuckte die Schultern. »Diese kleinen Blauen? Die Blumennamen kann ich mir auf Deutsch einfach nicht merken.«
»Wir werden die Blumen besorgen«, sagte Lilli großzügig und stieß Rosanna an. »Nicht wahr, Rosanna?«
»Mmh.« Rosanna nickte und winkte ihrem Vater zu.
Der dicke Mann mit dem Pudel kam herein, um zu bezahlen. Als er die beiden Mädchen entdeckte, machte er ein bitterböses Gesicht und nahm seinen eisverschmierten Hund schnell auf den Arm.
»Rosanna, was soll ich dir bringen?«, fragte ihre Mutter. »Dein Vater hat ein wunderbares Waldmeistereis gemacht. Willst du es nicht mal probieren?«
Bei jeder neuen Eissorte versuchte sie es wieder, aber Rosanna schüttelte nur den Kopf.
»Nein, danke, Mama«, sagte sie. »Ich mach mir lieber einen Tee.«
»Was?« Ratlos sah Rosannas Mutter die beiden Mädchen an. »Blumen, Tee. Ihr seid ein bisschen verrückt heute Morgen, nicht wahr?«
»Ach, das sind wir doch immer!«, sagte Lilli und kicherte. »Ich würde gern das Waldmeistereis probieren.«
Rosanna wollte gerade mit Elfriedes Tütchen in der Küche verschwinden, als ihr Vater sie rief.
»Rosanna«, sagte er. »Kannst du uns heute Nachmittag ein bisschen helfen? Abwaschen, die Tische abwischen. Na, du weißt schon.«
»Klar!«, sagte Rosanna. »Mach ich gern.«
Aber als sie in der Küche stand und darauf wartete, dass das Wasser für ihren Tee endlich kochte, gingen ihr zwei Fragen nicht aus dem Kopf. War Elfriedes Wetterzauber den ganzen Sommer wirksam? Und wenn ja, was bedeutete das für sie? Vor allem bei der letzten Frage wurde ihr etwas unbehaglich zumute.
Nachdenklich goss sie ihren Tee auf. Sie lauschte dem Stimmengewirr draußen, hörte, wie ihre Mutter immer neue Bestellungen aufgab.
Rosanna, dachte sie, was hast du dir da eingebrockt?
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Keine Zeit!
»Und morgen?«, fragte Lilli sauer.
Wieder mal saßen Rosanna und sie unter einem Sonnenschirm und versuchten, sich auf die Schularbeiten zu konzentrieren. Aber diesmal war der Schirm nicht nass und er stand in Lillis Garten. Im Eiscafé war es zu voll und zu laut.
»Morgen?« Rosanna schüttelte den Kopf. »Morgen geht’s auch nicht. Da hab ich meiner Mutter versprochen, beim Einkaufen zu helfen.«
»Verdammt noch mal!« Lilli haute auf den Tisch. So laut, dass Zorro, der schlafend darunter lag, erschrocken die Ohren spitzte. »Wann hast du denn Zeit? Einkaufen, putzen, spülen, Eis rühren. Eine ganze Woche geht das jetzt schon so.«
»Na und?«, fauchte Rosanna zurück. »Was soll ich denn machen? Meine Eltern können es sich nicht leisten, jemanden einzustellen. Was ist, wenn das Wetter wieder schlechter wird?«
»Das Wetter!« Lilli sprang auf. »Guck dir doch diese fette Sonne an. Sieht die so aus, als ob sie sich wieder verjagen lässt? Keine Wolke am Himmel.«
»Wir hatten zweimal Hitzefrei«, stellte Rosanna fest.
»Toll. Und du bist gleich ins Café gerannt, um zu helfen.« Wütend drehte Lilli an ihrem Haar herum. Das Karottenrot war verblasst. »Nicht mal die Blumen konnten wir besorgen. Nicht mal einen Hexentanz haben wir gemacht. Nichts!
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