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Zwei wilde kleine Hexen

Zwei wilde kleine Hexen

Titel: Zwei wilde kleine Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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guckst du denn?«, rief Elfriede und zwickte sie zärtlich in die Nase. »Das ist doch kein Abschied für die Ewigkeit. Wer weiß, in wie vielen Leben wir uns noch über den Weg laufen werden! Von diesem Mal ganz zu schweigen.«
    Rosanna musste lächeln.
    »So ist es richtig«, sagte Elfriede. »Und jetzt werde ich diese kleine Flughexe zum Abschied noch mal ordentlich durchschütteln!« Sie stupste Lilli an. »Wir zwei fliegen noch ein paar Extrarunden, was?«
    Rosanna blieb am offenen Fenster stehen und sah ihnen nach. Lillis Juchzen hörte sie noch, als der Besen mit den beiden kaum noch zu sehen war. Wie eine Fahne flatterten ihre nassen Karottenhaare im Wind.
    Macht nichts, dachte Rosanna. Dafür bin ich eine erstklassige Krötenbeschimpferin. Und trotzdem war sie neidisch, als sie zum Himmel hochsah.

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Johanniskrauttee
    In dieser Nacht konnte Rosanna lange nicht einschlafen. Also setzte sie sich ans offene Fenster, sah hinaus in die Dunkelheit und wartete. Sie fühlte den Regen, der ihr ins Gesicht spritzte, hörte den Wind unten im Hof an den Stühlen rütteln. Wie ein riesenhaftes Wesen kam er ihr vor, das ausgelassen in der Dunkelheit spielte. Und sie belauschte ihn bei seinem nächtlichen Spiel. Heimlich, während alle andern schliefen. Nicht lange, und sie sah den ersten Stern zwischen den Wolken. Klein und verloren. Dann war da ein zweiter, ein dritter. Und dann sah sie den Mond.
    Der Regen hörte auf, verschwand wie ein feuchter Spuk. Aber der Wind spielte weiter, bis der Himmel voller Sterne war. Erst als sie verblassten, verabschiedete auch er sich, flog einfach davon. Und Rosanna ging schlafen.
     
    Als sie aufwachte, schien die Sonne in ihr Zimmer. Unten im Hof stellten ihre Eltern Stühle auseinander, wischten die Tische ab und spannten die Sonnenschirme auf. Verschlafen steckte Rosanna den Kopf aus dem Fenster.
    »Sieh dir das Wetter an!«, rief ihre Mutter. »Richtiges Sonntagswetter.«
    Rosanna lächelte. »Ich geh kurz mal zu Lilli, ja?«, rief sie hinunter. »Ist Ramses unten?«
    Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Und er soll sich auch nicht hier blicken lassen. Ich hab schon wieder seine Haare im Erdbeereis gefunden.«
    Rosanna suchte den Kater unter dem Bett. Aber da war er auch nicht. Schleicht wohl wieder irgendeiner Katze hinterher, dachte sie ärgerlich. Hastig zog sie sich an und machte sich auf den Weg. Aber sie ging nicht zu Lilli, sondern zu dem verlassenen Haus.
    Lilli hatte wohl dieselbe Idee gehabt. Am Gartentor lehnte ihr Fahrrad. Sie saß hinten im Garten, mitten im Waldmeister, und sah kreuzunglücklich aus.
    »Weg«, sagte sie, als Rosanna auf sie zukam. »Sie ist wirklich einfach weg!«
    Das eine Fenster stand immer noch offen. Rosanna kletterte ins Haus und ging durch die leeren Räume. Es roch nach Kräutern und Wiesenblumen. Nach Elfriede eben. Aber nichts erinnerte an sie. Nur das offene Fenster. Seufzend kletterte Rosanna wieder ins Freie.
    »Da.« Lilli hielt ein kleines Tütchen hoch. »Das hat sie uns dagelassen.«
    Rosanna sah hinein. Ein paar getrocknete Zweige waren drin, mit kleinen länglichen Blättchen. Und auf die Tüte hatte Elfriede gekritzelt: »Johanniskraut. Gut gegen kleine Traurigkeiten. Heißes Wasser drüber, fünf Minuten ziehen lassen. Macht’s gut, kleine Hexen!«
    »Ob das hilft?«, murmelte Rosanna.
    »Bei mir bestimmt nicht!«, sagte Lilli düster. »Nicht mal die Sonne hilft. Und die wirkt bei mir sonst immer.«
    Nachdenklich zog sie das kleine Päckchen mit dem Hexenhaar hervor. »Was ist denn im Moment für ein Mond?«
    »Zunehmender«, sagte Rosanna. »Aber sie hat gesagt, wir sollen sie nur rufen, wenn wir sie brauchen.«
    »Na und? Brauchen wir sie vielleicht nicht?«, rief Lilli empört. »Ich langweile mich zu Tode ohne sie. Außerdem – wer soll uns denn das Fliegen beibringen? Und all die anderen Sachen? Ich will immer noch Hexe werden. Du etwa nicht?«
    »Natürlich.« Rosanna hielt ihr Gesicht in die Sonne. »Aber erinnere mich bloß nicht ans Fliegen.« Seufzend ließ sie sich ins Gras fallen. »Das letzte Mal war mir so schlecht, als du mich in diese Achterbahn geschleppt hast.«

    »Ach, das!« Kichernd ließ Lilli sich neben sie fallen. »Als du dem Mann auf den Hut gekotzt hast.«
    Rosanna stöhnte auf. »Peinlich, peinlich!« Und dann wälzten sie sich lachend im Gras, bis ihnen die Tränen über die Backen liefen.
    »Komm«, sagte Rosanna plötzlich. »Ich geb dir ein Eis aus.«
    »Wunderbare Idee«, sagte Lilli.

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