Zwei wilde kleine Hexen
Kreis aus. Dann sammelte sie schweigend ihre Sachen ein und verstaute sie wieder in ihren unzähligen Taschen. Bis auf Brunhilde, die behielt sie in der Hand. Sie ging unter die Linde und setzte sich erschöpft auf die kräftigen Wurzeln.
»Das war’s?«, fragte Lilli erstaunt.
Die Hexe nickte lächelnd. »Das war’s. Was hast du erwartet? Dass ich einem Huhn den Kopf abreiße oder blutige Zeichen in den Sand male? Pfui, Eisenhut und Bilsenkraut! Die Schwarze Magie überlasse ich den Schwarzen Zauberern und ihren verfaulten Gehirnen. Fieser Hokuspokus.« Zärtlich kraulte sie Brunhilde den fetten Bauch. »Die Magie der Hexen ist weiß. Merkt euch das.«
»Wie merkt man denn, was Schwarze Magie ist und was Weiße?«, fragte Rosanna.
»Oje, was stellt ihr der armen Elfriede wieder für verzwackte Fragen!« Seufzend strich sich die Hexe das nasse Haar aus der Stirn. »Wie erkennt ihr die Schwarze Magie? An ihren unappetitlichen Methoden. Blut, Schmerz, geopferte Tiere, so was lieben die Schwarzen Zauberer. Und ihr Ziel ist immer dasselbe: Macht über Menschen und Tiere, Macht über alles, was ihre vergifteten Herzen begehren. Dafür benutzen sie das Böse in der Welt. Was leider nicht schwierig ist.« Elfriede gab ihrer Kröte einen schmatzenden Kuss.
»Und die Weiße Magie?«, fragte Lilli.
»Die Weiße Magie krümmt keinem Huhn eine Feder«, sagte Elfriede, »und ihr Ziel ist das Heilen und Helfen oder, um es kurz zu sagen, das Glück. Die Weiße Magie ist schwer zu erlernen, weil sie die Kraft des Guten nutzt, und die kommt leise daher. Aber …«, Elfriede kicherte, »sie ist die gesündere, denn eins gilt für alle Zauberei, ob Schwarz oder Weiß: ›Was du gibst, erhältst du dreimal zurück.‹ Das Gute und das Böse, alles kommt zu dir zurück. Merkt euch das. So, und jetzt hab ich wirklich genug geredet.«
Nachdenklich sah sie zum Himmel empor. Die Mädchen taten es ihr nach.
»Die Wolken«, sagte Rosanna. »Die sind nicht weg.«
Elfriede kicherte. Vorsichtig verstaute sie Brunhilde wieder in ihrem Kleid. »Natürlich sind sie nicht weg«, sagte sie spöttisch. »Etwas Geduld musst du schon haben. Geduld ist alles.« Gähnend nahm sie ihren Besen. »Morgen sind sie weg«, sagte sie. »Genau wie ich.«
Erschrocken sahen die Mädchen sie an.
»Wieso?«, fragte Lilli entgeistert. »Wieso bist du weg?«
»Wieso nicht?«, fragte die Hexe zurück.
Die Mädchen schwiegen.
»Na, nun sitzt mal nicht da wie beleidigte Kröten«, sagte Elfriede. »Ich hab noch was für Notfälle für euch. Da.« Sie riss sich zwei Haare aus, wickelte jedes sorgfältig in ein Stückchen Stoff von ihrem Kleid und gab jedem Mädchen ein kleines Päckchen. »Das müsst ihr fest reiben, siebenmal draufpusten und ein bisschen tanzen. Ach ja, und – da war doch noch was. Moment.« Sie holte ihren Zettel mit den dreizehn wichtigsten Zaubersprüchen hervor. »Hm, ist in der Dunkelheit nicht zu entziffern.« Ärgerlich schnippte sie mit den Fingern und plötzlich tanzte ein kleines Irrlicht auf ihrem Fingernagel. »Da ist es. ›Einladung einer Hexe‹. Ja, drei Blätter Zaubernuss. Die müsst ihr beim Tanzen fest in der Hand halten. Ganz fest.«
Sie steckte den Zettel wieder ein und pustete das Irrlicht von ihrem Fingernagel. Leuchtend trudelte es davon.
»Wenn ihr das alles tut, kann es sein, dass ich mich wieder bei euch sehen lasse. Es sei denn, ihr stört mich gerade beim Essen oder Schlafen oder sonst was Wichtigem. Aber bitte nur benutzen, wenn ihr mich wirklich braucht. Und es wirkt nur bei abnehmendem Mond, verstanden?«
Die Mädchen nickten und verstauten die wertvollen Päckchen tief in ihren Taschen.
»Gut, dann steigt mal wieder auf mein Holzpferd«, sagte Elfriede. »Zeit fürs Bett. Sogar für zwei Nachwuchshexen wie euch. Ihr gähnt ja, als wolltet ihr den Mond verschlucken.«
Auch der Rückflug war für Rosanna nicht gerade ein Genuss. Der Wind wurde immer stärker und der Besen ritt auf ihm wie ein Boot auf den Wellen. Rosanna war zwar noch nie seekrank gewesen, aber so ähnlich musste man sich dabei fühlen. Lilli und Elfriede hatten wieder ihren Spaß. Bei jedem Hopser, den der Besen machte, setzte Rosannas Herzschlag aus – die anderen beiden aber quietschten vor Vergnügen.
»Na dann, bis irgendwann und nirgendwann!«, sagte die Hexe, als Rosanna mit zitternden Beinen zurück in ihr Zimmer kletterte.
»Bis irgendwann und nirgendwann«, antwortete Rosanna – und vermisste sie schon.
»Aber wie
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