Zwei Wochen danach (German Edition)
für dich, deine Arbeit zu behalten.
Was willst du denn bei uns auf dem Land!“
„Mama!“ Heike ist empört.
„Mama, du verplanst mein Leben!“
Ihre Mutter horcht auf.
Heike tut der Satz leid. Sicher wollen ihre Eltern nur das Beste für sie. Aber es macht sie so wütend!
In der Tat war es eine Idee, auf die Heike noch gar nicht gekommen ist. Jetzt, wo sie darüber nachdenkt.
Oder die sie nicht für möglich gehalten hat. Ihre Eltern hängen so sehr an dem Haus. Dass sie wieder nach München ziehen würden!
Aber trotzdem, sie hätte es ihr auch erst einmal anbieten können. Es ist schließlich immer noch ihre Entscheidung!
Ihre Mutter sagt nichts mehr. Heike merkt, dass sie enttäuscht ist von Heikes heftiger Reaktion.
„Es tut mir leid, Mama. Aber so schnell geht das nicht.
Ich brauche Zeit!“ Sie stützt sich am Tisch hoch, geht aus dem Zimmer, hält im Flur kurz inne und beschließt dann, die Wäsche zu sortieren, um sich abzureagieren.
Sie poltert die Treppe hinunter in den Keller und öffnet die quietschende Tür zum Heizraum.
Das Blut schießt ihr in den Kopf, als sie sich bückt. Eilig stopft sie das erste Bündel weißer Wäsche in die Maschine und schließt unsanft die Klappe.
***
(Kristel)
So war es immer gewesen. Die ganze Pubertät lang. Aber heute hat es Kristel kalt erwischt.
Wie soll es überhaupt gehen, dass sie im gleichen Haus wohnen, wo Heike sich so ungern etwas sagen lässt. Kristel kommt sich mit einem Mal dumm vor. Und sie ist wütend auf Ludwig. Der hatte sich gestern bei der Entscheidung einfach enthalten. Hätte er sie nicht warnen können?
Kristel überlegt, was er gestern Abend zu ihr gesagt hat. Nur, dass sich Kristel das gut überlegen soll, weil es ihr vielleicht sonst zu viel wird mit den Jungen.
Deshalb sind sie ja unter anderem weggezogen.
Klar, darüber hatte Kristel natürlich nachgedacht. Und die Situationen von heute und damals kann man gar nicht vergleichen. Aber er weiß doch auch, was sie früher mit Heike für Kämpfe ausgestanden haben, als sie sich von ihnen gelöst hat.
Kristel dachte, Heike sei älter geworden. Ihre Tochter ist so hilflos seit Sebastians Tod und Kristel hätte schwören können, dass Heike in ihrer Situation jedes Angebot annehmen würde.
Sie wollte ihr doch nur einen Gefallen tun! Sie unterstützen.
Jetzt ist Heike unten in der Waschküche.
Kristel steht vom Tisch auf und läuft ins Bad.
Um sich abzulenken, macht sie ein bisschen Ordnung auf den Ablagen. Sie hängt die Handtücher gerade und hebt die Hosen und T-Shirts von Pit und Marcus auf, die auf dem Boden liegen, dreht sie auf rechts. Sie will nicht länger daran denken. Sie kann die Entscheidungen ihrer Tochter sowieso nicht beeinflussen. Mit lauwarmem Wasser spült sie die Zahnpastaränder vom Waschbecken weg und hört innerlich Ludwigs Stimme: Das hätte ich mir beinahe denken können!
Es macht sie doppelt wütend.
Unten hört sie die Kellertür schließen. Heike scheint fertig zu sein.
Schnell wäscht Kristel ihre Hände, trocknet sich flüchtig ab und geht nach unten. Irgendwie müssen sie wieder zusammenfinden. Sie wollen doch gleich los!
***
(Joachim)
Ich liege in meinem Bett und betrachte die Infusion, die tröpfchenweise in meine Blutbahn gleitet.
In meinem Inneren vibriert alles. Am liebsten würde ich aufstehen und umherspringen, aber ich muss mich beherrschen. Nur noch bis zur Visite, dann nehmen sie mir dieses Ding wahrscheinlich ab, haben sie versprochen.
Es ist längst elf durch und Renate schon auf dem Weg zu Ralph. Er ist in Ordnung. Mein guter Junge ist in Ordnung! Er ist wieder bei uns!
Schon lange konnte ich das Glück nicht mehr so intensiv spüren wie heute. Geschäftige Ameisen scheinen in meiner Blutbahn umherzulaufen. Tragen Nahrung zum Herzen hin. Füllen die Kammern Stück für Stück. Und ich fühle mich dabei wie neugeboren! Ein neuer Mensch in einer alten Haut.
***
(Nicole)
Wir fahren von Ralph zu Joachim. Super, denke ich, dass wir jetzt von Krankenhaus zu Krankenhaus pendeln müssen.
Und doch bin ich erleichtert, dass meinem widerborstigen Schwiegervater nichts zugestoßen ist.
Wir sitzen uns gegenüber, als würden wir uns nicht kennen. Ein jeder in sich gekehrt. Susanne starrt wie gebannt auf das Schwarz der Tunnelwände. Als könnte sie dort irgendetwas entdecken.
Die U-Bahn hält am Ostbahnhof und Renate hält jetzt meine Hand. Wir müssen umsteigen. Renate kann sich kaum von mir und wir können uns kaum
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