Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
weniger zu schaffen machte, als sie vermutet hatte. Was interessierten sie die Meinungen anderer Leute? Welche Rolle spielte das Getuschel gelangweilter Insulaner, die größeres Interesse an dem Leben anderer als an ihrem eigenen hatten?
»Du siehst gut aus«, sagte Lenny.
Sie spürte seinen Atem dicht an ihrem Hals, während sie sich wie in Zeitlupe Arm in Arm auf einem winzigen Fleckchen fortbewegten.
Sie schwieg. Ein Umstand, der ihm nichts auszumachen schien. Die Tatsache, sie in seinen Armen zu halten, schien ihm Bestätigung genug.
»Ich weiß, dass du diesen Tanz missverstehst«, sagte sie schließlich, während sie den Abstand zu ihm vergrößerte, um ihm in die Augen sehen zu können.
»Wie meinst du das?«
»Ich habe keine Lust mehr zu streiten, Lenny. Ich möchte dir nichts mehr vorwerfen, nicht mehr darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn wir uns damals nicht getrennt hätten.«
Ihre Worte ließen seine Augen für einen Moment freudig aufblitzen.
»Ich habe mit alledem abgeschlossen«, fuhr sie fort. »Es ist Zeit, nach vorn zu schauen.«
»Das sehe ich genauso«, antwortete er, als er stehen blieb und sie mit eindringlichem Blick anschaute. »Wir sollten nach vorn schauen.«
»Du verstehst mich falsch.« Vanessa ließ seine Hand los. » Ich schaue nach vorn, du schaust nach vorn. Nicht wir .«
»Aber ich dachte, du würdest …«
»Nur weil ich endlich begriffen habe, dass ich meine Energie nicht länger in Rachepläne investieren möchte, heißt das nicht, dass ich mich wieder auf dich einlasse, Lenny.«
Sein Lächeln verfinsterte sich.
»Ich will dich nicht hassen«, sagte sie. »Ich will nicht mehr daran denken, was damals der Grund für unsere Trennung gewesen ist. Vielleicht war es Schicksal, dass es mit uns so endete. Vielleicht waren wir einfach nicht füreinander bestimmt.«
»Sag so was nicht.« Regungslos stand er vor ihr.
»Wenn mir eines klargeworden ist, dann die Tatsache, dass ich dich und den Schmerz, den ich mit dir verbinde, nicht länger als Vorwand benutzen kann, um mich vor der Welt zu verstecken.«
Ihre Äußerung ließ ihn verstummen. Beinahe hatte sie Mitleid mit ihm, als sie ihn so demotiviert dastehen sah, während sich all seine Hoffnungen, worin auch immer sie begründet waren, in Luft auflösten.
Sie betrachtete ihn für einen Augenblick wie das Bild in einer Galerie, wie einen Freund, der zum Fremden geworden war, oder einen Fremden, von dem sie nur geglaubt hatte, dass er ihr einmal mehr bedeutet hatte. Und während sie ihren Blick über die markanten Konturen seines Gesichts schweifen ließ, wusste sie, dass beides stimmte.
»Ness«, sagte er leise.
Ihr Mund formte sich zu einem sanften Lächeln. Langsam näherte sie sich ihm und berührte seinen Mundwinkel lautlos mit ihren Lippen. Mit schwesterlichem Blick schaute sie ihm ein letztes Mal tief in die Augen, wandte sich schweigend von ihm ab und verließ das Festzelt, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Kapitel 8
D as vierte Klingeln. Seit mittlerweile fünf Minuten stand sie vor seiner Tür und wartete darauf, dass er ihr öffnete. War er wirklich nicht zu Hause? Oder hatte er sie vom Fenster aus gesehen und beschlossen, sie zu ignorieren?
Sie trat von der Tür zurück und schaute sich suchend um.
Die Tischlerei. Natürlich.
Sie befand sich am Rande des Grundstücks, direkt neben der Garage in einem ehemaligen Stallgebäude, das Gregor nach seinem Einzug umgebaut hatte. Während sie langsam darauf zuging, sah sie, dass die Tür einen Spalt breit offen stand. Vorsichtig schob sie sie auf.
Er sah sie nicht sofort. In zerschlissenen Jeans und einem weißen T-Shirt, das er an den Schultern umgekrempelt trug, stand er an der Hobelbank und widmete sich mit Feuereifer einem undefinierbaren Stück Holz. Sein Haar kräuselte sich leicht über der Stirn, auf seiner Haut glitzerten kleine Schweißperlen in der Nachmittagssonne, die sich ihren Weg durch die breiten, fast deckenhohen Fenster suchte.
Ihn derart konzentriert bei der Arbeit zu sehen beeindruckte sie. Für einen Moment stand sie einfach nur da und sah ihm zu. Erst als sie näher kam und nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, bemerkte er sie.
»Vanessa«, sagte er. Er nahm die Hände vom Hobel und schaute sie an wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
»Ich wollte dich nicht stören«, antwortete sie mit schuldbewusstem Lächeln.
Er betrachtete sie mit einer Intensität, die sie nicht so recht einzuordnen wusste. In seinen
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