Zweifel in Worten
versuchte, diese Gedanken zu vertreiben.
Never ever würde ich das irgendwem erzählen. Ich musste mich zusammenreißen und schweigen, einfach nur weitermachen wie bisher.
In der Bang-Gang gab es so etwas wie Liebe nun mal nicht. Wir alle wussten zwar, dass Mike in Jeremy verliebt war, dass er aber nicht den Mut hatte, dazu zu stehen. Vielleicht reichte es ihm auch, neben dem Sex mit uns anderen ab und zu mit Jeremy zu vögeln – wer wusste das schon?
Ich für meinen Teil wusste nicht, ob mir das auf Dauer ausreichen könnte. Immerhin hatte ich gerade eine gleichsam erschreckende wie erregende Entdeckung gemacht.
„Wenn du nicht die Initiative ergreifst, wirst du dich später halbtot ärgern“, sagte Mike irgendwann neben mir und riss mich damit aus meinen etwas verwirrten Betrachtungen.
Erschrocken sah ich ihn an und seufzte. „Was meinst du?“
Mike stand mit auf die Theke gelehnten Unterarmen neben mir und bestellte neue Getränke, dann lächelte er und stieß mich mit der Schulter an. „Hey, hältst du mich neuerdings für blöd?“
Reflexartig schüttelte ich den Kopf und wandte mich gänzlich zu ihm um. Es war vermutlich besser, den Tanzenden endlich den Rücken zuzukehren. „Natürlich nicht! Also? Was genau meinst du?“
„Alter! Du schmachtest die zwei an, als gäb’s kein Morgen! Für wen schlägt dein Herz denn nun höher?“
Ich blinzelte erstaunt. Wie für wen? War das nicht vollkommen klar? Und ich verstand, ohne die Frage stellen zu müssen, dass es das tatsächlich nicht war.
Mike wandte sich um und sah durch den Raum. „Echt mal, die zwei könnten Zwillinge sein, beide so unglaublich sexy, aber hast du mal Phils Augen angeguckt? Dieses helle Blau, darin diese dunkelblauen Strahlen! Unfassbar, dass jemand solche Augen haben kann ... Hm, vielleicht sind’s Kontaktlinsen ...?“
„Ich denke nicht. Und ja, sie ... passen ziemlich gut zusammen ...“ Ich würgte diese Worte mehr hervor, als dass ich sie sagte. Sie taten mir weh. Wirklich körperlich weh.
„Krieg ich nun ’ne Antwort?“, hakte Mike nach.
Ich hob die Schultern und presste die Lippen aufeinander, dann unterdrückte ich den Drang, mich ebenfalls wieder umzudrehen. „Nein, Mike, tut mir leid, das muss ich alles erst mit mir selbst ausmachen, verstehst du?“
Mike nickte sofort und zog mich an sich. „Verstehe ich wirklich, Juli.“ Er küsste mich kurz und nahm die Getränke mit. „Los komm, ich schlepp das nicht alles allein!“
Ich ergriff die anderen Gläser und folgte ihm, mir blieb auch nichts anderes übrig.
Wieder am Tisch stellte ich sie ab und blieb unschlüssig stehen. Dann streckte Kevin seine Hand nach mir aus und zog mich auf die Bank. Ich ließ es geschehen, hatte einfach keine Idee, was ich stattdessen hätte tun sollen. Es änderte ja nichts. Hier konnte ich mich aber wenigstens vom allgemeinen Gespräch ablenken lassen und stellte angenehm überrascht fest, dass meine Freunde die noch immer Tanzenden thematisch ausklammerten.
Ich erstarrte, als jemand neben mich auf die Bank glitt und mich an sich zog. Heute wurde ich, sehr zu meinem Missfallen, offensichtlich zu einer Art herumziehbaren Puppe. Langsam wandte ich den Kopf und sah in Tims Gesicht. Das reflexartig-dämliche Grinsen ließ sich nicht mehr unterdrücken. Er hatte mich also doch nicht für den göttlichen Phil vergessen ...
Doch ebenjener saß direkt neben Tim und sah mich über dessen Schulter hinweg an. Ich musterte wieder Tim, sah in dessen Wildwasseraugen und schluckte.
„Na? Spaß gehabt?“, fragte ich und biss mir auf die Zunge, weil das nicht nur missbilligend, sondern eindeutig missgönnend klang. Und das war schlicht zu auffällig. Ich spürte ein leichtes Zittern, als mein Körper sich aus der Starre löste, und verfluchte es. Konnte ich denn nicht ganz einfach wieder der coole, geile Julius sein? Tim zog mich dichter an sich und runzelte die Stirn. Er sah so ernst aus ...
Als seine Lippen sich auf meine senkten, schloss ich genießend die Augen und versuchte, alles zu vergessen. Meine Unsicherheit, meine Ängste, meine Zuneigung.
Es brachte ja auch nichts.
Tim war Mitglied der Gang; er war damals derjenige, der uns auf die Idee mit der Sechsecksgeschichte gebracht hatte. Niemals würde er das aufgeben, da war ich mir sicher.
Und weil ich mir über meine Gefühle für ihn durch diesen zärtlichen, intensiven Kuss immer bewusster wurde, umschlang ich ihn und erwiderte den Kuss leidenschaftlich und fordernd.
So
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