Zweifel in Worten
verließ ich mein Elternhaus und machte mich auf den Weg zum Skateplatz. Natürlich nicht, ohne mir vorher die Kopfhörer in die Ohren zu stecken.
Hey, nur weil mein Vater Staatsanwalt war, musste ich noch lange nicht den Heiligen geben! Natürlich hörte ich Musik beim Skaten, mir war ehrlich gesagt scheißegal, ob ich damit gegen irgendwelche Regeln verstieß.
Eine Viertelstunde später kam ich nach einigen Testsprüngen über Bordsteine und kleine Treppen am Übungsgelände an. Hier gab es zwei Quarterpipes, eine Halfpipe, mehrere Miniramps und einen Tunnel, ein paar Slaloms und natürlich auch Treppen ins Nirgendwo, über deren Geländer wir ebenso waghalsig wie geübt unsere Stunts machten. Ich wurde laut begrüßt; meine Skaterclique saß rauchend und Musik hörend zusammen auf den Bänken in unserer Lieblingsecke.
„Claasen! Wird aber auch Zeit, Mann!“ Tim sah mich mürrisch an, was mich ein wenig ärgerte, ohne dass ich hätte sagen können, woran das lag.
„Wieso? Hab ich verpasst, wie du dich wieder mal beim Frontside Heelflip auf die Fresse gelegt hast?“, antwortete ich grinsend und blieb im Manual stehen, während ich meine Tasche abnahm und zu ihm warf.
Er fing sie auf und ich drehte erst einmal eine Runde.
Tat gut. Ich kam nur noch donnerstags hierher, weil mein Terminplan einfach zu voll war. An drei Tagen in der Woche stand Karate auf dem Plan, einen Nachmittag musste ich notgedrungen in der Schule verbringen und am Wochenende nutzte ich meine Zeit lieber zum Ausschlafen – entweder bei mir oder bei einem anderen Mitglied der Bang-Gang.
Dazu gehörte ja auch Tim, der einzige schwule Skaterfreund . Er folgte mir auf seinem Board und wir lachten eine Runde über die Anfänger, die sich an einer Miniramp versuchten. Zeit mit Tim zu verbringen hatte etwas Befreiendes und Leichtes an sich. Ich genoss es – auch, weil es einfach Spaß machte, seine fließenden Bewegungen zu beobachten.
Die wenigen Stunden, die mir blieben, um im Tageslicht zu skaten, gingen viel zu schnell herum und ich erreichte gegen neun Uhr abends wieder unser Haus. Meine Eltern saßen im Wohnzimmer; ich streckte vorsichtshalber nur kurz den Kopf zur Tür herein, grüßte und verschwand nach oben, nachdem ich mir aus der Küche einen Apfel, eine Schüssel Müsli und eine Flasche Wasser geholt hatte.
So ausgestattet zog ich mich um, machte es mir im Bett gemütlich und sah mir eine DVD an.
Nein, natürlich keinen schwulen Film. Kann man ja schließlich nicht dauernd gucken, so was. Heute hatte ich Lust auf Action, weshalb ich ‚ Shoot ’ em up ‘ einlegte und dabei aß.
Ich dachte an den morgigen Abend und grinste zufrieden. Tim hatte mir vorhin gesagt, dass auch er im BoyToy sein würde. Somit war schon mal geklärt, mit wem ich in jedem Fall meinen Spaß haben könnte.
Mein Grinsen gefror ein wenig in meinem Gesicht, als sich das Bild des radfahrenden Oberschnuckelchens vor mein geistiges Auge schob.
Wieder betrachtete ich seine langen Beine, seine Frisur, seinen sexy Hintern auf dem Sattel, seine Haltung, einfach alles. Ein Seufzen kroch aus meiner Kehle und ich drehte mich auf die Seite, um den Film zu verfolgen. Es brachte nichts, an diesen Typen zu denken.
Er war ’ne ganz nette (Ha ha , das nenne ich wirklich mal ’ne Untertreibung!) Wichsvorlage, aber mehr eben auch nicht.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, jedenfalls erwachte ich morgens mit dem Abdruck meiner Fernbedienung auf der Stirn und fluchte hemmungslos, als ich in meinem eigenen Badezimmer vorm Spiegel stand.
So konnte ich vieles tun, aber ganz sicher nicht in der Schule auflaufen! Ich rieb genervt über die kleinen Dellen, die die Softtasten hinterlassen hatten, und hoffte inständig, dass sie bald verschwanden.
Eine Dusche und Rasur später begab ich mich an meinen Kleiderschrank, kramte lustlos darin herum und griff schließlich recht wahllos nach einem Shirt und einer Jeans. Es reichte, wenn ich mir heute Abend Gedanken darüber machte, wie ich aussah.
Die Rasur war übrigens ein recht albernes Unterfangen. Wenn ich eines nicht hatte, dann war es übermäßiger Bartwuchs. Im Gegenteil, ich war recht zufrieden damit, so haarlos daherzukommen. Das ließ mich jünger aussehen – auch ich gehörte zu den Jugendfetischsten unter den Schwulen. Für Eingeweihte: Ich war ein Twink und ich stand auf Twinks .
Die Schulstunden, je eine Doppelstunde Leistungskurs Mathe, Grundkurs Chemie und Grundkurs Englisch, vergingen schneller, als ich
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