Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
und mich ohne Umschweife auf diesen großen glänzenden Seziertisch geworfen hatte. Auf die kalte Platte! Sie schmeißen die nackten Leichen einfach auf den Tisch und begaffen sie, diese Perverslinge. Law and Order hat gelogen!
Ach ja, und der Zeh-Anhänger? Tat saumäßig weh! (Wer hätte das gedacht? Es tut halt weh, wenn jemand einem einen Draht um den großen Zeh schlingt und fest zuzieht. Rohlinge!)
Der arme Doc ließ das große, glänzende Säge-Ding fallen und ich fing es gerade noch auf, bevor es ihm den halben Fuß zerschmettern konnte. Weit davon entfernt, wegen meines beherzten, seinen Zeh verschonenden Eingreifens etwas beruhigt zu sein, erbleichte er noch mehr (War das überhaupt möglich? Kann Papier blasser werden? Kann Popcorn sich aufplustern? Hmm, Popcorn …) und wich vor mir zurück.
»Tut mir leid, wenn ich Ihnen Angst einjage.«
Er schwieg.
»Äh, Sie wissen wohl nicht zufällig, wie ich hierhergekommen bin?«
Er schwieg immer noch, schüttelte jedoch heftig den Kopf, sodass ich zunächst annahm, er stünde kurz davor, einen Anfall zu bekommen.
Es war wohl besser, wenn ich erst mal auf dem Tisch sitzen blieb. Besser, wenn derjenige, der keine Leiche war, nicht durchdrehte.
Ich versuchte es erneut. »Wissen Sie vielleicht, wo ich mich befinde? Jetzt sagen Sie’s schon, Sie müssen es doch wissen! Denken Sie mal scharf nach! Hey, ich gebe Ihnen sogar einen Tipp: Es ist dort, wo Sie sind. Klingelt’s da bei Ihnen? Und hören Sie auf, mir auf die Titten zu starren!«
»Tot«, sagte er nur.
»Betsy Taylor.« Ich streckte ihm die Hand hin. »Ich bin die Leiche, die Sie heute nicht aufschneiden werden. Vielleicht sollten Sie sich lieber hinsetzen.« Besorgt hüpfte ich vom Tisch und hinderte ihn am Umsinken. »Hören Sie, ich bin nicht gefährlich oder so.« Das war eine kapitale Lüge, aber für einen guten Zweck erzählt. Der Arme machte nämlich den Eindruck, als würde er jeden Moment mit dem Kopf voran auf dem eiskalten Stahltisch aufschlagen.
»Sie sind nicht aufgewacht«, erklärte er. »Das geht gar nicht, weil Sie nämlich tot sind.« Er war schlank und nicht besonders groß, hatte spärliches blondes Haar und hervorquellende blaue Augen. Seine Stimme war ein angenehmer Bariton … Ich hätte ja erwartet, dass er vor Schreck im Falsett kreischen würde. »Sie sind nicht aufgewacht. Sie konnten nicht aufwachen. Weil Sie tot sind.«
»Nein, bin ich nicht. Und, ja, bin ich. Aber während ich darauf gewartet habe, dass Sie endlich anfangen, ist mir was Besseres eingefallen, als zuzulassen, dass Sie mein Hirn aufschneiden. Ich habe nämlich beschlossen, in die Gänge zu kommen, um heldenhaft das Unrecht zu bekämpfen und so. War das nicht cool?«
Ich stellte die Säge auf den Tisch. Oh, Mann. Ich hatte ja sooo einen Durst! Der Arme! Wenn ich mich sofort nährte, würde ich umso schneller aus diesem was auch immer herauskommen und mich auf den Weg zur Villa machen können. Deshalb war es wichtig, dass ich mich unverzüglich nährte.
Der Ärmste.
»Hören Sie, kann ich Pflegerklamotten haben? Oder meine Kleider? Und vielleicht Ihre Wagenschlüssel? Und darf ich mir Ihr Handy ausleihen? Ach, zum Teufel, geben Sie mir einfach alles, was Sie im Moment entbehren können!« Auffordernd klatschte ich in die Hände. »Kumpel! Ándale ! Das ist Spanisch und heißt: Komm in die Gänge, Weißkittel!«
1
Einige Stunden zuvor …
»Okay. Ich muss dich ganz schnell auf den neuesten Stand bringen. Okay? Sinclair?«
Der König der Vampire lag mit dem Gesicht nach unten auf unserer blanken Matratze. Blank war sie, weil wir im Zuge unseres heißen Liebesspiels die Laken heruntergefetzt hatten; die Kissen waren in der Badewanne gelandet und mindestens zwei Westfenster unseres Schlafzimmers waren zerbrochen. Die Glaser von St. Paul liebten uns. Sie gaben uns bereits Rabatt.
»Hey! Hörst du mir überhaupt zu?«
»Gummff ummf uhnn gunh.« Mein Gatte war so locker und relaxt wie selten. Ich hatte ihn in Ausübung meiner ehelichen Pflichten (beinahe) umgebracht. Er drehte mir den Kopf zu. »Erlaube mir, mich noch ein wenig meines postkoitalen Traumas zu erfreuen.«
»Wir haben keine Zeit dafür!«
»Warum?«, quengelte er.
Beachten Sie bitte, welche Strapazen ich hinter mir hatte. Ich hätte nie geglaubt, dass Sinclair quengeln könnte. Exfrauen quengeln. (Oder Ehefrauen.) Kinder, die ihren Willen nicht bekommen, quengeln, erwachsene Frauen quengeln, und wenn ich dieses schrecklich schrille
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