Zweimal ist einmal zuviel
»Hast du Spiro mit dem Lastwagen geködert?«
»Ich habe es versucht.«
»Ist etwas dabei herausgekommen?«
»Angeblich kennt er keinen, der bei Macko Furniture arbeitet. Und er glaubt auch nicht, daß Moogey die Särge gestohlen hatte. Moogey hat für Kenny und Spiro offenbar nur den Clown gespielt. Ich bin noch nicht einmal überzeugt, daß er überhaupt etwas mit der Sache zu tun hatte.«
»Aber Moogey hat schließlich die Särge nach New Jersey transportiert.«
Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Buick. »Vielleicht haben Kenny und Spiro ihn nur teilweise in ihren Plan eingeweiht, und dann hat Moogey doch etwas spitzgekriegt und beschlossen, sich auch ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.«
»Und du meinst, Moogey hat sich den Möbelwagen ausgeliehen, um die Särge wegzuschaffen.«
»Das wäre immerhin eine Theorie.« Ich hängte die Tasche über die Schulter. »Morgen früh um acht muß ich Spiro abholen und zur Arbeit bringen.«
»Ich warte vor seinem Haus auf dich.«
Als ich die Tür aufgeschlossen hatte, blieb ich erst noch einen Augenblick in der dunklen Diele stehen. Ich mochte das Haus am liebsten, wenn es schlief. Abends strahlte es eine tiefe Zufriedenheit aus. Ob es ein guter oder weniger guter Tag gewesen war, er war gelebt worden, und das Haus war für seine Familie dagewesen.
Ich hängte die Jacke weg und schlich auf Zehenspitzen in die Küche. Bei mir zu Hause etwas Eßbares zu finden, war Glückssache. In der Küche meiner Mutter fündig zu werden, war eine todsichere Angelegenheit. Dann hörte ich vertraute Schritte auf der Treppe.
»Na, wie war es bei Stiva?« fragte meine Mutter.
»Nicht schlecht. Ich habe ihm geholfen, das Institut abzuschließen, und ihn hinterher nach Hause gebracht.«
»Es ist sicher nicht leicht, mit der verletzten Hand Auto zu fahren. Ich habe gehört, daß er mit dreiundzwanzig Stichen genäht werden mußte.«
Ich bediente mich aus dem Kühlschrank.
»Gib her«, sagte meine Mutter und nahm mir den Schinken aus der Hand.
»Laß, das kann ich doch selber«, sagte ich.
Meine Mutter holte ihr schärfstes Messer aus der Besteckschublade. »Du schneidest den Schinken nicht dünn genug.«
Sie machte zwei Schinkenbrote und goß zwei Gläser Milch ein. »Du hättest ihn ruhig zu einem Sandwich einladen können«, sagte sie.
»Spiro?«
»Joe Morelli.«
Meine Mutter verblüffte mich immer wieder aufs neue. »Es hat eine Zeit gegeben, da hättest du ihn mit dem Tranchiermesser aus dem Haus gejagt«, sagte ich.
»Er hat sich geändert.«
Ich biß ausgehungert in mein Sandwich. »Das behauptet er auch.«
»Er soll ein guter Polizist sein.«
»Ein guter Polizist ist nicht dasselbe wie ein guter Mensch.«
Als ich aufwachte, wußte ich im ersten Augenblick nicht, wo ich war. Ich starrte an eine Zimmerdecke aus einem früheren Leben. Grandma Mazurs Stimme holte mich mit einem Ruck in die Gegenwart.
»Wenn ich nicht sofort ins Badezimmer kann, passiert ein Unglück«, rief sie. »Ich habe die Lauferitis.«
Die Tür ging auf, und mein Vater grummelte etwas Unverständliches. Mein Auge fing an zu zucken. Ich kniff es fest zusammen und konzentrierte mich mit dem anderen Auge auf den Wecker. Halb acht. Verdammt. Ich hatte besonders früh bei Spiro sein wollen. Ich sprang aus dem Bett und wühlte mir eilig ein paar frische Sachen zum Anziehen aus dem Wäschekorb. Ich zog einmal die Bürste durch die Haare, schnappte mir meine Tasche und stürmte aus dem Zimmer.
»Grandma«, brüllte ich durch die Badezimmertür. »Dauert es noch lange bei dir?«
»Ist der Papst katholisch?« brüllte sie zurück.
Eine halbe Stunde konnte das Klo zur Not noch warten. Wenn ich erst um neun aufgestanden wäre, hätte ich es sogar noch anderthalb Stunden länger ohne Klo ausgehalten.
Meine Mutter erwischte mich mit der Jacke in der Hand. »Wo willst du hin?« fragte sie. »Du hast noch nicht gefrühstückt.«
»Ich muß Spiro abholen.«
»Spiro kann warten. Den Toten ist es egal, ob er eine Viertelstunde später kommt. Komm jetzt, frühstücken.«
»Ich habe keine Zeit.«
»Du bekommst auch einen leckeren Haferbrei. Er steht schon auf dem Tisch, und ich habe dir ein Glas Orangensaft eingegossen.« Sie warf einen Blick auf meine Füße. »Was sind denn das für Schuhe?«
»Das sind Doc Martens.«
»Solche Schuhe hat dein Vater in der Army getragen.«
»Es sind tolle Schuhe«, sagte ich. »Ich liebe sie heiß und innig. Heutzutage trägt jeder Mensch solche
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