Zwergenfluch: Roman
zuließen.«
Wieder trat ein unbehagliches Schweigen ein. Tharlia spürte, dass ihre Worte Eindruck hinterlassen hatten, und es gab keinen Zweifel daran, dass jeder der Anwesenden sich König Burians Abdankung lieber heute als morgen wünschte. Aber sie hatten Angst, und diese war nur zu berechtigt. Auch Tharlia selbst fühlte sie. Worum es hier ging, war immerhin nicht weniger als ein Komplott zum Sturz des Königs, auch wenn sie es mit freundlicher klingenden Worten wie Absetzung zu umschreiben versuchte. Würde Burian davon erfahren, würde er sie ungeachtet ihres Ranges oder Ansehens zweifellos augenblicklich hinrichten lassen. Dass keiner der Anwesenden bislang gegangen war, obwohl ihre bloße Anwesenheit sie schon zu Mitwirkenden dieses Komplotts machte, wertete Tharlia als Zeichen, dass sie ihrem Vorhaben zumindest nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstanden. Die Blicke der Besucher allerdings hingen an
den importierten Gemälden, die die Wände zierten, an den edlen Gläsern aus Kristall - aber niemals wagten sie es, sich gegenseitig oder gar Tharlia in die Augen zu sehen.
»Zwei Mitglieder des Hohen Rates sind hier anwesend«, ergriff Erzmeister Sorus erstmals das Wort und strich sich bedächtig durch den Bart, während sein Blick in weiter Ferne weilte, als ginge ihn das ernste Gespräch nur am Rande etwas an. »Aber was ist mit den anderen? Und was ist generell mit der Kriegerkaste, die traditionell eine besondere Loyalität dem Thron gegenüber hegt? Für eine Absetzung ist die Zustimmung des gesamten Rates notwendig, das dürfte Euch bewusst sein. Außer dem ehrenwerten Torgan gehört diesem jedoch keiner von uns an, deshalb frage ich mich, warum Ihr uns überhaupt zu diesem Treffen geladen habt.«
Tharlia nickte. Offiziell hatte der Hohe Rat, zusammengesetzt aus jeweils zwei Vertretern aller drei Kasten, nur beratende Funktion für den König, aber es gab kein Gesetz in Elan-Dhor, das den Rat ermächtigte, ihn abzusetzen, auch wenn dies schon zweimal geschehen war. Aber ein König, der die Unterstützung aller Ratsmitglieder und damit auch aller Kasten verlor, stand auf haltlosem Posten. Gerade deshalb war es für Tharlia ungeheuer wichtig, alle anderen Ratsmitglieder hinter sich zu vereinen. Weigerte sich auch nur einer - oder womöglich gar eine ganze Kaste -, drohte im Falle einer Machtprobe eine Spaltung des Reichs, schlimmstenfalls ein Bürgerkrieg. Diese Gefahr wollte sie nicht eingehen, und sie wusste, dass es auch keiner der anderen tun würde. Es gab nur ein geeintes Vorgehen oder gar keines.
»Ich bin sicher, dass ich Selon, das zweite Ratsmitglied der Gelehrtenkaste, dazu bewegen kann, sich uns anzuschließen.
Von Euch erhoffe ich mir, dass Ihr dank Eures Einflusses Euer zweites Ratsmitglied, den ehrenwerten Artok, überzeugen könnt, sich unserer Sache ebenfalls anzuschließen. Und was die Loyalität der Kriegerkaste betrifft - es mag sie früher gegeben haben, aber es ist unübersehbar, dass der größte Teil der Krieger mittlerweile nur noch wenig Sympathien für König Burians Herrschaft hegt. In den letzten Jahrzehnten hat er gegen ihren Willen das Heer immer weiter verkleinert und die Mittel für Waffen und Ausrüstung zusammengestrichen«, erklärte sie. »Außerdem ist einer der berühmtesten Helden unseres Volkes mein Großonkel. Barloks Einfluss innerhalb seiner Kaste kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die meisten Krieger vergöttern ihn geradezu.«
»Nur gehört er nicht dem Hohen Rat an«, warf Vilon ein, wie Torgan ein Schürfmeister, was den höchsten Titel der Arbeiterkaste darstellte.
»Auf eigenen Wunsch«, erwiderte Tharlia. »Man hat ihm dieses Amt schon mehrfach angeboten, doch er hat es stets ausgeschlagen. Seinen eigenen Worten nach fühlt er sich bei seinen Kriegern wohler als in der Gesellschaft von Höflingen und zieht seine Axt den Waffen der Diplomatie vor. Aber sein Einfluss ist deshalb eher noch größer. Die beiden Ratsmitglieder der Kriegerkaste hören auf seine Empfehlungen.«
»Er mag Euer Großonkel sein, allerdings hat er das Haus Lius schon vor langer Zeit verlassen, um ein eigenes Haus zu gründen«, fuhr Vilon unbeirrt fort. »Außerdem heißt es, dass sein Verhältnis zu Euch... nun ja, sagen wir angespannt ist.«
»Es ist taktlos von Euch, den tragischen Untergang seines Hauses hier zur Sprache zu bringen«, entgegnete Tharlia
scharf. »Auch wenn ich mit Barlok nicht immer einer Meinung bin, so bleibt er dennoch mein
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