Zweyer, Jan - Rainer
und Buhlen begrüßten die Beamten aus Aurich.
»Können wir?«, fragte Buhlen und deutete auf die zehn Meter entfernt unter einer Folie liegende Gestalt.
»Klar. Wir sind fast fertig.« Der Leiter der Spurensicherung steckte sich eine Zigarette an. »Hier ist sie nicht ermordet worden«, sagte er, während sie zu der Toten gingen. »Sie ist nur mit Jeans und einem dünnen Shirt bekleidet. So geht im Winter keiner vor die Tür. Außerdem sind hier kaum Blutspuren. Und das bei dem Schnitt.« Er zog die Folie weg.
Müller holte pfeifend Luft: angstvoll aufgerissene Augen, mittellanges, dunkelbraunes Haar. Starre, verdrehte Arme. Und ein klaffender Spalt im Hals, der fast von Ohr zu Ohr ging. Er wandte sich ab. »Womit?«, fragte er.
»Ein sehr scharfes Messer. Vielleicht ein Skalpell. Auf jeden Fall etwas in dieser Art. Der Schnitt ist sehr sauber ausgeführt.
Wie bei einem chirurgischen Eingriff.«
»Also jemand mit Erfahrung?« Buhlen schaltete sich ein.
»Nicht unbedingt. Es muss sich auch nicht um ein Skalpell handeln. Ein Rasiermesser wäre auch denkbar. Oder so ein Teil, das Bauzeichner oder Architekten benutzen, um ihre Zeichnungen durch Abkratzen der Tusche zu korrigieren.
Irgendein sehr scharfes Schneidwerkzeug eben.«
»Wann?«
»Etwa vor zwei Tagen, meint der Arzt. Plus, minus zwölf Stunden. Genaueres im Obduktionsbericht.«
»Irgendwelche Spuren?«
»Absolut nichts. Wenn da was war, bei dem Wind hier…
alles verweht. Die Kleidung müssen wir noch genau im Labor untersuchen. Vielleicht finden wir dabei etwas Brauchbares.«
Der Kollege zeigte auf eine weitere Kunststofffolie, die der ähnelte, mit der die Leiche abgedeckt war. »Die hat der Täter benutzt. Vermutlich hat er das Opfer darin eingewickelt und transportiert. So etwas wird zum Abdecken bei Malerarbeiten benutzt.«
»Wer ist sie?«
»Wissen wir nicht. Keine Papiere, kein anderer Anhaltspunkt.«
»Haben Sie eine Idee, wie der Täter das Opfer hierhergeschafft hat?« Müller machte sich Notizen.
»Sie wog etwa fünfzig, höchstens sechzig Kilo. Vielleicht mit dem Fahrrad, vielleicht mit dem Handkarren, vielleicht hat der Täter die Tote geschultert.« Der Spurensicherer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Und wie schaffen Sie die Leiche hier weg?«
»Mit der Trage da vorne. Bis zum Flugplatz. Dann in unserem Hubschrauber nach Aurich in die Gerichtsmedizin.«
Buhlen dachte an das ziemlich anstrengende Auf und Ab durch den tiefen Dünensand. »Na, viel Vergnügen.«
»Hält die Träger warm«, erwiderte der Beamte aus Aurich ungerührt und erinnerte Dieter Buhlen daran, dass sich seine Füße in Eisklumpen zu verwandeln drohten.
»Wie wahr. Wer hat die Tote gefunden?«
»Spaziergänger«, schaltete sich Altehuus ein. »Eine Gruppe, die die Entfernung vom Nordstrand außen am Kalfamer vorbei zum Watt überschätzt hat und abkürzen wollte. Ist zwar nicht gestattet, aber manchmal… Zwei haben bei der Toten gewartet, einer ist zum Flugplatz und hat mich verständigt. Die Leiche war fast vollständig zugeweht, als ich hier eintraf. Nur ihr rechter Arm ragte aus dem Sand heraus. Als ob sie uns durch Winken auf sich aufmerksam machen wollte. Wirklich gespenstisch.«
Müller stellte sich die Szenerie vor und ihm wurde noch kälter, als ihm ohnehin schon war. »Wann kriegen wir die Fotos?«
»Heute Abend vorab per Fax und morgen per Boten«, antwortete der Spurensicherer. »Reicht das? Ich glaube nicht, dass wir den Hubschrauber extra dafür…«
Buhlen schüttelte den Kopf. Er kannte die Auseinandersetzungen mit knauserigen Vorgesetzten zur Genüge.
Dann sprach er Altehuus an, »Würden Sie uns jetzt bitte in unser Hotel bringen? Sonst kann ich mich morgen gleich neben die Bedauernswerte legen. Oder willst du noch etwas wissen?« Er sah seinen frierenden Kollegen an und wusste, dass seine letzte Frage überflüssig gewesen war.
6
Elke und Rainer verließen die Fähre und sahen sich suchend um. Ein Mann mit einer Schirmmütze, auf der unübersehbar der Schriftzug Hotel Achterdiek prangte, näherte sich.
»Herr Esch und Begleitung?«, sprach er die beiden an. Als Rainer bejahte, fragte der Hotelangestellte weiter: »Haben Sie sich die Nummer des Wagens gemerkt, in dem Ihr Gepäck verstaut ist?«
Der Anwalt hatte nicht. So mussten sie an der Reihe der Transportwagen vorbeilaufen, bis Rainer ihre Koffer fand. Der Träger schnappte sich die Teile und verstaute sie in einem Fahrradkarren, mit dem er zügig
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