Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
Schimmer.« Der jüngere der beiden Streifenpolizisten kam näher. »Ich kann ja mal auf der Wache…«
»Nee, lassen Sie mal«, unterbrach ihn Brischinsky, »das klären wir später.« Er leuchtete durch das Fenster in den hinteren Teil des Mazdas. Auf den Rücksitzen konnte er nichts Auffälliges entdecken. Der Hauptkommissar ging um den Wagen herum. Plötzlich wurde es kalt und naß an seinem rechten Fuß.
»Scheiße«, fluchte Brischinsky, »verdammte Scheiße.«
Er lenkte den Lichtschein nach unten, nur um festzustellen, was er schon wußte. Er war in eine schlammige, etwa zehn Zentimeter tief Pfütze getreten. Die neuen Lederschuhe konnte er vergessen. Seine ohnehin miese Laune verschlechterte sich noch mehr.
»Ist schon jemand auf den Gedanken gekommen, zu überprüfen, wem die Karre hier eigentlich gehört?« fuhr er die Uniformierten an. »Na, was ist?«
Die Streifenpolizisten spurteten zu ihrem Wagen. »Wir haben hier eine Halterfeststellung. Mazda 323, amtliches Kennzeichen RE-PS 67. Wir warten.«
Brischinsky schüttelte sich innerlich. Wie konnte ein vernünftiger Mensch bloß mit einem solchen Kennzeichen durch die Gegend fahren. Ihm würde so etwas im Traum nicht einfallen.
»Halterfeststellung. Amtliches Kennzeichen RE-PS 67«, plärrte es aus dem Lautsprecher. »Halter ist wohnhaft in Recklinghausen, Bochumer Straße 346…«
Brischinsky notierte sich Name und Anschrift. »Na, dann wollen wir mal. Wir nehmen meinen Wagen.«
Baumann sah seinen Chef entgeistert an. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Weiß ich. Kurz vor elf. Und jetzt komm. Deinen Wagen laß ins Präsidium bringen.«
Baumann folgte seinem Vorgesetzten. Der warf ihm den Schlüssel zu und sagte: »Du fährst.«
Auf dem Weg nach Recklinghausen-Süd griff der Hauptkommissar zum Funkgerät und rief die Zentrale, um sich die Telefonnummer des Halters durchgeben zu lassen. »Ja, Bochumer Straße 346. – Okay, ich warte. – Wie? 44 32 67? –
Gut, danke.«
Er nahm sein Handy und wählte. »Nimmt keiner ab. Wir fahren trotzdem hin.«
2
Die Musik im Drübbelken war wie immer etwas zu laut, jedenfalls für seinen Geschmack. Da aber schon seit einer halben Stunde die Stimmen seiner Lieblingsband über die an der Decke befestigten Boxen dröhnten, störte ihn das heute nicht. »You can’t always get what you want«, röhrte Mick Jagger. Rainer Esch war sich nicht sicher, ob hier Widerspruch angesagt war. Warum eigentlich nicht, dachte er.
Als in ›The salt of the earth‹, der Trinkspruch auf die hart arbeitenden Menschen, ausgesungen wurde, fühlte sich Rainer angesprochen.
»Machst du mir noch ‘nen trockenen Riesling und ‘nen Veterano?« fragte er – eher rhetorisch – die junge, blonde Bedienung hinter dem alten Tresen. »Und ‘nen Espresso bitte auch.«
Da er an der Querseite der Theke saß, direkt neben dem Münzfernsprecher, konnte er der attraktiven Frühzwanzigerin beim Beschicken des Espressoautomaten zusehen.
»Waiting for a girl and we get drunk Friday nights«, sang Mick. Na ja, Donnerstag war aber auch okay.
»Riesling is nicht. Frascati oder Blanc de blanc.«
»Okay. Blanc de blanc.«
Im Ruhrgebiet wurde typischerweise Bier getrunken. Gute Weine wie einen trockenen Riesling gab’s fast nur in Restaurants. Wie hatte ihm einmal ein Vertreter eines Weingroßhändlers bei einer Weinprobe vor einigen Jahren gesagt? »Die im Pott trinken Wein nur, wenn er süßer ist als Bier.« Und daran hatte sich wohl nicht sehr viel geändert.
Glücklicherweise wärmte die Thekenmannschaft wenigstens das Brandy-Glas an. Egal, dachte Rainer. Hauptsache der Wein ist trocken.
Er sah sich in der Kneipe um. An den Wänden hingen neue Bilder. Augenscheinlich hatte die Ausstellung gewechselt. Der Künstler, der sich etwas von einer kostenlosen Darbietung in dieser Recklinghäuser Szene-Kneipe versprach, war nach Rainers Auffassung gar nicht schlecht. Großformatige, wie mit einem Zoomobjektiv festgehaltene Szenen aus dem Sport und von der Cranger Kirmes wechselten sich ab mit surrealistischen Motiven. Rainer fand das ziemlich anschaulich, auf jeden Fall heute, nach dem vierten Glas Weißwein und Veterano.
Er bestellte sich noch einen Espresso und trank ihn in einem Zug aus. Bedauerlicherweise behob das die leichten Gleichgewichtsstörungen, die er spürte, nicht im geringsten.
Aber warum sollte ihn das stören, erklang doch gerade von den Stones ›Did you hear about the midnight rambler‹.
Dermaßen
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