Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vorzulegen, da ansonsten seine zu versteuernden Einnahmen geschätzt würden.
Esch seufzte tief. Den freien Tag im Freibad oder der Gartenkneipe Boente zu verbringen, konnte er vergessen.
Er erzeugte noch einen Instantkaffee, zündete eine Reval an und startete den Computer, um mittels eines Shareware-Programmes dem Finanzamt klar zu machen, dass außer einem Honorar von fünfzig Mark lediglich Ausgaben in nicht unbeträchtlicher Höhe angefallen seien, die seine Steuerlast bis unter den Nullpunkt reduzieren würden. Das einzige Problem bestand darin, dass Rainer in der Vergangenheit noch nie regelmäßig Lohn-oder Einkommenssteuer gezahlt hatte und seine momentane Lebensplanung auch nicht vorsah, dieses Prinzip zukünftig außer Kraft zu setzen. Und genau diesen simplen Sachverhalt weigerte sich die Software zu Kenntnis zu nehmen, was wiederum dazu führte, dass Esch versuchen musste, das Problem mit einer geklauten Kopie eines Tabellenkalkulationsprogramms manuell zu lösen.
Da sich seine negative Grundeinstellung gegenüber Computern nie geändert hatte, warf er nach etwa zwei mühseligen Stunden das Handtuch, suchte seine Belege zusammen und fuhr zum Finanzamt.
Der für ihn zuständige Beamte war anfangs freundlich, später genervt, dann verzweifelt und schließlich physisch und psychisch reif für einen längeren Sanatoriumsaufenthalt. Aber Rainer Esch hatte die schriftliche Bestätigung, seine Unterlagen fristgerecht eingereicht zu haben, und die mündliche Zusage, steuerfrei auszugehen.
Diesen Erfolg beschloss er mit einigen Gläschen Wein und dem einen oder anderen Veterano im Drübbelken, der Recklinghäuser Szene-Kneipe, zu feiern.
7
»Wie die Geier lauern sie da«, meinte Kommissar Heiner Baumann nach einem kurzen Blick in das Sitzungszimmer des Polizeipräsidiums Recklinghausen, in dem sich etwa zehn Vertreter der Printmedien, des Lokalradios und des Lokalfernsehens sowie einige Vertreter überregionaler privater und öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten und Agenturen versammelt hatten. »Möchte mal wissen, warum dieser Auftrieb hier überhaupt stattfindet?«
»Werbung in eigener Sache«, antwortete Rüdiger Brischinsky, »Bürgernähe. Gläserne Polizei. Berechtigtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Außerdem brauchen wir die«, er bewegte seinen Kopf in Richtung Tür, »ja auch von Zeit zu Zeit.«
»Tag, meine Herren. Dann wollen wir mal.« Kriminalrat Wunder kam wie immer einige Minuten zu spät. Brischinsky hatte den begründeten Verdacht, dass das absichtlich geschah, um die Bedeutung seiner Person zu unterstreichen.
»Tag, Herr Wunder«, antwortete der Hauptkommissar.
»Guten Tag, Herr Kriminalrat«, sein Assistent.
Sie betraten den Raum. Das Stimmengewirr verstummte. Die drei Kriminalbeamten nahmen an der Stirnseite des Raumes Platz. Kriminalrat Wunder stellte Brischinsky und seinen Kollegen vor, lobte die überaus erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Presse und übergab die Gesprächsführung an den Hauptkommissar.
»Meine Dame, meine Herren«, begann Brischinsky, »gestern Nachmittag gegen neunzehn Uhr wurde auf dem Kirchplatz in Recklinghausen der deutsche Staatsbürger Jürgen Grohlers aus Berlin, Alter 51 Jahre«, die Journalisten machten sich Notizen,
»von mindestens zwei noch unbekannten Tätern erschossen.
Die Fahndung nach den Tätern läuft, hat aber bis jetzt noch kein greifbares Ergebnis erbracht. Wir werden Ihnen im Anschluss an diese Konferenz Fotos des Ermordeten übergeben mit der Bitte, diese in Ihren Presseerzeugnissen zu veröffentlichen. Dazu erhalten Sie von uns eine kurze Pressemitteilung, in der wir die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise bitten. Vielen Dank.«
Im Saal wurde unzufriedenes Gemurmel laut.
Kriminalrat Wunder schaltete sich ein. »Selbstverständlich ist Herr Hauptkommissar Brischinsky gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten. Bitte. Ja, Sie dort bitte.«
»Meier. WAZ Recklinghausen. Ich war gestern am Tatort und habe dort viele Zeugen gesehen. Was haben sie ausgesagt?«
»Sie werden verstehen, das wir im Interesse der laufenden Ermittlungen nicht bekannt geben können, was die Zeugen im Detail ausgesagt haben. Es waren einige Hinweise darunter, denen wir im Moment nachgehen«, antwortete Brischinsky.
Und dachte das Gegenteil.
»Können Sie uns etwas zum Motiv sagen? Wissen Sie, warum Grohlers umgebracht wurde? Zublick von Radio Funk im Vest.«
»Nein, Herr Zublick, wir tappen
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