Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
sich über Funk. »Hier Krawiecke vier. Morgen, mein Schatz.«
»Ich bin nicht dein Schatz«, plärrte Krawieckes Stimme aus dem Lautsprecher. »Sieh zu, dass du los kommst, aber etwas dalli, wenn ich bitten darf.«
»Du darfst bitten«, antwortete Esch. »Und zwar höflich.
Wagen Vier Ende.«
Rainer schaltete das Funkgerät auf Stumm und fuhr los in Richtung Innenstadt. Nach etwa zehn Minuten startete er einen erneuten Versuch.
»Krawiecke vier an Zentrale, bitte kommen.«
»Hier Zentrale, kommen Krawiecke vier«, hörte er Renates Stimme.
»Hattest du eben keine Lust oder hat unser geschätzter Boss nur mal den Larry raushängen lassen?«, wollte Esch wissen, obwohl er sich darüber im Klaren war, dass Krawiecke den gesamten Funkverkehr der Taxiflotte in seinem Büro mithören konnte.
»Ich musste mal für kleine Mädchen. Morgen, Rainer.«
»Morgen.«
»Fahr zum Bahnhof und warte. Ich hab noch nichts für dich.«
In der Bahnhofskneipe kaufte Esch ein Brötchen und eine Tasse Kaffee und machte es sich in seinem Benz bequem.
Nach dem Frühstück nahm er die WAZ vom Beifahrersitz und las erst den Sportteil. Sein Lieblingsverein Schalke 04 musste morgen bei den Bayern in München antreten. Leider nicht in Bestbesetzung. Das konnte nur schief gehen. Er seufzte. Das Wochenende war wahrscheinlich gelaufen.
Dann blätterte er zum Lokalteil weiter. Die Schlagzeile sprang ihm direkt ins Auge. Mord auf dem Kirchplatz. Kannte Opfer die Täter?
Der Autor des Artikels berichtete erneut über den Mord und die gestrige Pressekonferenz der Kriminalpolizei. Dann spekulierte der Journalist, ob das Opfer den Täter gekannt oder sogar Beziehungen zur Stasi gehabt hatte. Schließlich schloss er mit der rhetorischen Frage, welche Informationen die Kripo der Öffentlichkeit vorenthalten habe. Rechts auf der Seite war über drei Spalten ein Bild des Opfers abgedruckt. Die Zeile darunter fragte: Das Opfer Jürgen Grohlers (51). Wer hat diesen Mann in den letzten Tagen gesehen?
Esch stutzte. Dann war er sich sicher. Er kannte den Toten.
Grohlers war der nervöse Berliner mit dem großzügigen Trinkgeld. Rainer riss den Artikel aus der Zeitung und warf die WAZ wieder auf den Beifahrersitz.
Dabei fiel sein Blick auf die Schlagzeile der Bildzeitung. In zentimetergroßen, roten Buchstaben stand auf der ersten Seite: Stasi-Mord in Recklinghausen. Was verschweigt die Polizei?
Und darunter das Bild des Toten.
Esch überlegte einen Moment und meldete sich dann bei Renate. »Hör mal, ich schalte mich für einige Zeit aus.«
»Spinnst du? Krawiecke flippt aus, wenn du das tust.«
»Ich muss meinen Pflichten als Staatsbürger nachkommen.
Ich muss zu den Bullen.«
»Was hast du ausgefressen? Du weißt, Rainer, zu dir komm ich sogar in den Knast. Wann ist denn in der Krümmede Besuchszeit?«
»Sehr komisch. Krawiecke vier Ende.«
Der Polizist in der Pforte im Polizeipräsidium bat ihn zu warten, telefonierte kurz und schickte ihn dann in den ersten Stock ins Zimmer 145. Rainer klopfte und betrat unaufgefordert den Raum. Ein Beamter saß über Akten gebeugt am Schreibtisch.
»Morgen.« Esch zückte den Zeitungsausschnitt. »Ich möchte eine Aussage über den Toten machen.«
Rüdiger Brischinsky sah hoch. Seinen Besucher meinte er schon einmal gesehen zu haben.
»Morgen. Sie haben also das Opfer gekannt?« Er zögerte.
»Sagen Sie, Sie sind doch…?«
»Esch, Rainer Esch. Sie haben meinen Freund Cengiz Kaya und mich vor etwa einem Jahr aus einem Keller befreit.«
»Ich erinnere mich. Das war die Mordsache Westhoff, oder?«
»Genau.«
»Und wie geht’s Ihnen jetzt?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr der Hauptkommissar fort: »Sieht ja so aus, als ob Sie alles gut überstanden hätten.«
»Danke, gut.« Esch schaute Brischinsky an.
»Also, dann erzählen Sie mal. Aber bitte der Reihe nach.«
»Ich bin nebenberuflich Taxifahrer. Und vorgestern Nachmittag gegen 18.30 Uhr bekam ich einen Anruf von der Zentrale…« Rainer berichtete von seiner Begegnung mit Grohlers, dessen Nervosität und mehrmaligen Versuchen, im Taxi mit seinem Handy zu telefonieren. »Ich hatte den Eindruck, der wollte nicht, dass einer mithört. Deshalb ist er wahrscheinlich auch später mit seinem Gerät in eine Telefonzelle gegangen. Bei der Hitze!«
»In eine Zelle? Und hat von da mit seinem Handy telefoniert?«
»Ja, so war’s.«
»Und dann?«
»Dann bin ich zu einer neuen Fahrt gerufen worden.«
»Wenn ich Sie richtig verstanden
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