Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Kalle.«
Esch ließ den nach Luft schnappenden Inhaber auf dem Platz stehen und machte sich auf den Weg in die Zentrale.
Kurz vor der Tür drehte er sich um und rief Krawiecke zu:
»Wenn du dich abgeregt hast, kannst du dich mit deinen Daten mal her bemühen. Ich hab Feierabend und keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen.«
Wutentbrannt folgte der Taxiunternehmer seinem Fahrer ins Innere des Gebäudes, um die Tageseinnahmen abzurechnen.
Eine halbe Stunde später saß Rainer Esch in seinem Golf, der schon erheblich bessere Tage gesehen hatte, und steuerte seine Karre Richtung Westerholter Weg im Recklinghäuser Westviertel, wo seine Wohnung lag. Er schaltete das Autoradio ein und ärgerte sich über die Musik, die Radio FiV über den Äther schickte. Mit dem Technogehämmere konnte er nichts anfangen. Er stand auf die Stones, Who, Doors und die anderen Rockgiganten aus den sechziger und frühen siebziger Jahren.
Rainer rekapitulierte die Einnahmen des heutigen Tages.
Neben seinem Lohn für die zwölfstündige Hitzeschlacht hatte er über siebzig Mark Trinkgeld erhalten, so dass er um rund zweihundertfünfzig Schleifen reicher als heute Morgen war.
Esch beschloss, seinen Freund Cengiz Kaya anzurufen und ihn zum Essen einzuladen.
An der nächsten roten Ampel beugte er sich vor und kramte sein Handy aus dem Handschuhfach. Er drückte die Kurzwahlnummer und wartete, bis sein Freund sich meldete.
»Kaya.«
»Hi. Rainer hier. Wie wär’s mit Essen gehen? Ich lade dich ein.«
»Hast du im Lotto gewonnen? Oder hat Look und Listen wider Erwarten Geld abgeworfen?«
Der Hinweis seines Freundes auf die Erfolglosigkeit seines zweites Standbeins, die Detektei Look und Listen, schmerzte.
Vor gut einem Jahr hatte Esch, geblendet von der erfolgreichen Überführung der Mörder des Bruders seiner Freundin, im Recklinghäuser Süden eine Detektei gegründet.
Er hatte gehofft, dass Stefanie und Cengiz sich an dem Laden beteiligen und sie gemeinsam eine rasante Ermittlerkarriere starten würden. Leider hatten seine Freunde ihn damals nicht nur ausgelacht und die Mitarbeit verweigert, sondern auch noch Recht behalten.
Look und Listen war ein absoluter Reinfall, die Pleite schlechthin. In zwölf Monaten hatte lediglich eine Kundin seine Dienste in Anspruch genommen. Und die zahlte ein Erfolgshonorar von sage und schreibe fünfzig Mark, als er ihren entflogenen Kanarienvogel aus dem Geäst des nächsten Baumes gerettet hatte. Das war’s.
Rainer hielt den Laden nur deshalb aufrecht, um seinen Freunden und vor allem aber sich selbst sein Scheitern nicht eingestehen zu müssen. Rückblickend musste er zugeben; dass sie ihren damaligen Erfolg mehr einer Kette von Zufällen zu verdanken hatten und nicht konsequenter Ermittlungsarbeit. Im Gegenteil, Cengiz und er wären ohne die Unterstützung der Recklinghäuser Polizei wohl nicht so unbeschädigt aus der Angelegenheit herausgekommen.
»Das muss ja jetzt nicht sein, oder? Also, was ist? Kommst du mit?«
»Gern. Wohin?«
»Mir egal. Ich sitz im Auto, kann auch nach Herne kommen.«
»Gut, komm nach Herne. Ins Neokyma.«
»Zum Griechen? Ein Türke zum Griechen? Hast du keine Bedenken, dass sie dir die Okkupation Zyperns heimzahlen wollen?«
»Quatsch keinen Scheiß. Außerdem, ich kenn nur ein einziges türkisches Restaurant in Herne, und das taugt nicht viel. Dann lieber griechisch essen. Die Küche hat eh türkische Wurzeln, auch wenn die Griechen das nicht wahrhaben wollen.
Und im Übrigen bin ich Deutscher, wie du weißt.«
»Meinst du. Nur weil du seit sechs Wochen einen deutschen Pass hast, vergess ich doch nicht, dass du Schafhirte aus dem hintersten Winkel Anatoliens stammst.«
»Arsch, ich komm aus Istanbul«, regte sich sein Freund auf.
»Weiß ich doch, Cengiz. War Spaß. Nur die Retourkutsche für Look und Listen. Frieden?«
»Frieden.«
»Also gut, bis gleich im Neokyma.«
Das Restaurant in Herne war kein typisches griechisches Restaurant. Es gab zwar diverse Grillteller mit Bergen von Heisch, aber auch die etwas andere griechische Küche, feiner und origineller. Die Küchencrew offerierte auf einer großen Schiefertafel darüber hinaus das, was Markt und Küche aktuell an frischen Erzeugnissen zu bieten hatten. Im Winter war das Neokyma, besonders in der Nähe des Eingangs, chronisch zugig, im Sommer häufig zu warm. Trotzdem war es besonders an den Wochenenden schwer, abends ohne vorherige Reservierung einen Tisch zu bekommen.
Esch, der den
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