Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
nicht anders sein. Kein Dämon oder Monster konnte über so etwas Wunderbares triumphieren. Nicht, nachdem sie endlich die Antworten gefunden hatte, die sie benötigte. Die Verbindung, die sie brauchte.
Die Melodie des langsamen Stückes legte sich über den Bass und erzählte von einer unvergesslichen Liebe. Adam strich mit der Hand ihren Rücken hinauf und ließ sie auf ihrer nackten Schulter liegen, seine Finger berührten ihre Haare, sein Körper bewegte sich langsam im Takt mit ihrem.
»Ich muss eine Weile weg«, murmelte er.
Talia hielt die Luft an, ihr Herz zog sich zusammen, denn sie spürte, dass er sie anlog. Sie hatte Lust, ihm das zu sagen. Aber was würde er von ihr denken? Würde er sie verlassen?
»Ich muss nur etwas Kleinkram erledigen, dann bin ich zurück«, behauptete er in beschwichtigendem Ton, als wüsste er, dass sie Verdacht schöpfte.
»Kannst du nicht warten, bis das hier vorbei ist? Ich komme mit dir«, flüsterte Talia. Bitte lass mich mit dir gehen.
»Ich muss mit ein paar Informanten sprechen. Die sind sehr empfindlich. Wenn jemand dabei ist, reden sie nicht mit mir.«
Noch eine Lüge. Nun gut.
Talia hob ihr Kinn und eröffnete ihm ihr letztes Geheimnis. »Du solltest wissen … dass ich fühlen kann, was du fühlst. Das ist noch eines von meinen seltsamen Talenten.«
Er zog die Brauen zusammen, ließ sie aber nicht los.
Sie fuhr fort. »Ich weiß, dass du mich anlügst. Mein gesamter Körper schreit Lüge . Seit wir Custo gefolgt sind, bist du anders. Verschlossen.«
»Du fühlst, was ich fühle.« Adam streifte ihre Stirn mit seinen Lippen. »Das ergibt einen Sinn. Ich habe gespürt, dass du durch mich hindurchsehen kannst, und habe mich die ganze Zeit gefragt, wieso.«
»Ich hätte es dir sagen sollen … «
»Schhh. Es ist zu spät, um irgendetwas zu bereuen. Was fühle ich jetzt?«
Talia schluckte schwer und ließ sich von ihm auf der Tanzfläche drehen. »Kummer.«
»Custo … «, hob Adam an. Talia spürte, wie er tief Luft holte. »Custo hätte nicht so sterben dürfen. Qualvoll und gebrochen.«
Talia lehnte sich zurück, um Adam in die Augen zu sehen. »Du bist nicht schuld an seinem Tod.«
Adam wandte den Blick ab. »Er war in meiner Wohnung, ist meinen Anweisungen gefolgt, hat meinen Krieg geführt. Ich habe ihn vielleicht nicht umgebracht, aber ihn ganz bestimmt in die Schusslinie getrieben.«
»Er hat meinen Krieg geführt«, widersprach Talia. Sie konnte nicht erklären, wie sehr sie sich für Custos Tod verantwortlich fühlte. Wenn sie ihr Anderssein nur eher in den Griff bekommen hätte, würden vielleicht beide noch leben, Patty und er.
»Okay, den Krieg der Welt«, sagte Adam. »Der Punkt ist, dass er nicht mehr da ist. Ich werde darüber hinwegkommen, aber erst, wenn der Dämon zerstört ist. In der Zwischenzeit muss ich arbeiten. Es gibt ein paar Sachen, die ich allein zu erledigen habe. In Gang bringen muss. Später kannst du mir helfen, einen neuen Ort zu finden, an dem du dich erholen kannst. An dem wir etwas mehr Privatsphäre haben.«
Noch eine Lüge, aber mit so viel Liebe vorgetragen, dass sie sie einfach durchgehen lassen musste.
Er hob einen Mundwinkel zu einer Art Lächeln. Sie musste sich damit abfinden, auch wenn es ihr nicht gefiel.
»Wirst du jetzt einfach mit mir tanzen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog Adam sie an sich.
Talia schlang ihre Arme fest um seinen Körper. Solange es ging, wollte sie ihn so dicht wie möglich bei sich haben. Die Melodie strebte ihrem Höhepunkt entgegen und drückte Hoffnung aus, aber der Text erzählte von Verlust. Von Trennung.
Was wusste Zoe über die Zukunft, dass sie ein solches Stück für den ersten Tanz mit Adam ausgewählt hatte?
»In ein paar Stunden bin ich zurück«, murmelte Adam und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Er führte sie von der Tanzfläche.
Talia bemerkte, wie er verstohlen zu Zoe hinüberblickte, als sie zu dem Stuhl neben Abigail zurückkehrten.
Zoe wusste ganz offensichtlich eine Menge. Talia würde einige Antworten bekommen, und wenn sie Zoe dazu in Schatten ertränken musste. Ohne sie würde Adam nirgends hingehen.
19
Adam trat von der dunklen Feier in eine schwüle New Yorker Nacht hinaus. Über einem Korridor aus Glas und Beton sah er einen schmalen Streifen funkelnden Himmels. In der Luft hing der für eine Stadt typische Geruch aus abgestandenen Autoabgasen und feuchten Abwässern sowie einer Mischung aus Alkohol, Essen und Metall, der sich über die
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