Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
Privatbereich führten, seinem Refugium, in dem er »arbeitete«, wenn Moms Freundinnen da waren.
Adam sammelte sich und stieß die Tür auf.
Jacob saß aufrecht hinter Dads Schreibtisch, als wenn er meinte, dort hinzugehören. Adam sah rot. Hätte er eine Waffe bei sich gehabt, hätte er sie womöglich benutzt.
Stattdessen ballte er die Hände so fest zu Fäusten, dass seine Knöchel schmerzten. Talia. Er kämpfte nicht mehr für Mom und Dad. Sie waren tot, gehörten der Vergangenheit an. Talia war die Zukunft.
Jacob trug eine graue Nadelstreifenweste, ein weißes Hemd und eine Krawatte – lange bevor all das geschehen war, hatte Adam ihn den Banker genannt. Jacob warf einen Stift auf die auf dem Schreibtisch verteilten Papiere und machte es sich in Dads Ledersessel bequem.
»Ich sehe gerade die Finanzen von Thorne durch. Grob überschlagen hast du in den letzten sechs Jahren beinahe fünfzig Millionen Dollar ausgegeben.« Jacob imitierte den Tonfall seines Vaters, den er immer dann benutzt hatte, wenn Adam sein Budget überzogen und sich für irgendeinen Spaß, der ihn gerade reizte, am Firmenkonto bedient hatte.
»Ich denke, es sind eher einhundert. Ich habe die Überseekonten angezapft«, sagte Adam. Womit er sich heute beschäftigte, war alles andere als ein Spaß.
Jacob lächelte höhnisch. »Was für eine Verschwendung. Und jetzt willst du Vater-Mutter-Kind mit dieser kleinen Hure spielen?«
Adam wurde von einer Welle kalter Wut überrollt. Als er antwortete, klang seine Stimme rau, beinahe gebrochen. »Talia ist keine Hure.«
»Nun, sie hat die Beine für dich breit gemacht, und ihre Mutter hat dasselbe für den Tod getan.« Jacob grinste süffisant, weil er einen Nerv getroffen hatte. Seine Ellbogen ruhten auf den Armlehnen von Dads Stuhl, während er die Hände über dem Bauch verschränkte.
Mit der Zunge berührte Adam die kleine Pille in seinem Mund. Zubeißen, kauen, und der Tod höchstpersönlich würde auf Jacobs höhnische Bemerkung antworten. Aber er war nicht länger für seinen Bruder verantwortlich. Sondern für Talia.
Adam bemühte sich, die Beleidigung gegen sie zu übergehen. Es wäre nicht klug, wenn die Unterhaltung eskalierte. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass Jacob den letzten Anstand, der noch in seinem Monsterhirn steckte, verlor und sich in einen Geist verwandelte. Es war besser, ihn in der Spur zu halten.
»Treffen wir uns hier mit dem Dämon?«
Jacob stand auf und straffte seine Weste, während er um Dads Schreibtisch herumkam.
Es folgte eine blitzschnelle Bewegung, und Adam krachte rücklings gegen das Einbauregal rechts neben der Tür. Schmerz schoss durch seinen Kiefer. Er blinzelte heftig gegen die Punkte an, die vor seinen Augen verschwammen, und konzentrierte sich wieder auf seinen Bruder.
Jacob schien sich nicht zu bewegen und richtete überaus geschickt einen Manschettenknopf an seinem Ärmel. Die Manschette war rot gefleckt. »Du hast mein Hemd beschmutzt. Jetzt muss ich mich umziehen.«
So schnell. Zu schnell. Er musste gerade erst gefressen haben.
Die Tablette in Adams Mund war immer noch ganz. Er schob sie mit der Zunge zur Seite und spuckte Blut. Während er sich aufrichtete, sagte er: »Der Dämon … «
Es folgte ein weiterer rasend schneller Schlag. Ein heftiger Schmerz blitzte durch seinen Kopf, und der Raum verschwamm vor seinen Augen. Adam stieß mit dem Rücken gegen ein Möbelstück, das krachend zusammenbrach. Blut strömte warm aus seiner Nase und verschmierte auf seiner Wange, als er mit dem Gesicht zuerst auf dem Teppich landete.
»Widerlich, Adam. Du blutest wie ein Tier.« Jacob stellte einen Fuß mitten auf Adams Rücken, direkt neben sein Rückgrat, und trat zu, sodass Adams Nerven SOS-Signale in Form von elektrischen Stromschlägen aussandten.
»Wie gern würde ich dich zweiteilen«, sagte Jacob gereizt.
»Du bist das Tier. Du hast gerade gefressen, und hast dich immer noch nicht in der Gewalt«, keuchte Adam.
Der Druck verstärkte sich.
»Sitzt hinter dem Schreibtisch meines Vaters, als wärst du immer noch ein Mensch«, fuhr Adam fort und spürte den rauen Teppich an seiner Wange. Seine Kopfhaut zog sich zusammen, während sein Rückgrat sich durchbog.
»Er war auch mein Vater.« Jacob trat zu, und Schmerz tobte durch die langen Muskeln in Adams Rücken.
»Nein, der Dämon ist dein Vater. Dein Wächter. Ihm gegenüber musst du dich verantworten.«
»Und wieso auch nicht? Er hat mich unsterblich gemacht. Was ist schon das
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