Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
weiterarbeiten konnte.
»Dreizehn«, antwortete Armand. Adam zählte im Geiste – abzüglich der Wachen, die bei Jacob waren, und des fehlenden Spencer waren alle da.
Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Es konnte sein, dass die Truppen dort draußen bereits versuchten, in das Gebäude einzudringen. Er lief zu dem Raum zwei Türen neben seinem Büro – er diente als Waffenlager – und gab den Code ein. Die Tür öffnete sich geräuschlos.
Der Anblick traf Adam wie ein Stromschlag.
Der Raum war leer, die Regale enthielten nichts als Papier und Plastikmüll.
Seine Nerven brannten. Während er versuchte, die Information zu verarbeiten, war sein Kopf vollkommen leer. Nur drei Personen besaßen den Code zu diesem Raum: Er selbst, Custo und …
»Wo ist Spencer?«, bellte Adam über das nervöse Plappern im Flur hinweg.
»Wir haben ihn nicht gesehen«, erwiderte Jim.
Der Schweiß auf Adams Rücken wurde kalt, eine Gänsehaut überlief seinen Körper bis hinauf zum Nacken, wo sich die feinen Härchen aufstellten.
Waffen und Munition waren weg. Vor einer Woche waren die Sachen noch da gewesen – davon hatte sich Adam bei einer routinemäßigen Sicherheitskontrolle selbst überzeugt – aber jetzt waren sie weg. Alle. Wie konnte das möglich sein?
»Was ist los?« Custo trat von hinten neben ihn. Er hatte Talias Arm im Griff, die sich widerstandslos mitzerren ließ.
Custo musterte den hellen, leeren Raum. »Spencer.«
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, stimmte Adam zu. Seine Stimme hörte sich leise und fremd an. »Nur wir drei verfügen über den Generalcode.«
»Aber warum?«
»Zum Teufel, wenn ich das wüsste. Aber wenn er an diesen Kram herankommt … « Das Bild des Militärhubschraubers tauchte in seinem Kopf auf. Die Soldaten, die auf der Wiese in Angriffsstellung gegangen waren und auf Custo geschossen hatten.
» … , dann kommt er auch in den Tunnel«, beendete Custo den Satz. Ihr Fluchtweg war versperrt.
Ein Missverständnis? Nicht in diesem Ausmaß.
Jemand im IBÜ hatte eine Entscheidung getroffen. Adam konnte sich nicht vorstellen, wie die lautete. Welche vernünftige Person – welcher Mensch – sollte gemeinsame Sache mit dem Kollektiv machen?
Ganz offensichtlich Spencer. Adam erinnerte sich, dass Talia versucht hatte, ihn zu warnen, und er ihre Sorgen nicht ernst genommen hatte. Sie kannte Spencer nicht gut und verstand seinen verdrehten Humor einfach nicht. Nun stellte sich heraus, dass sie Spencer besser durchschaut hatte als er.
Adam verfügte lediglich über die Waffen, die er und Custo bei sich trugen. Den Plan, durch den Tunnel zu fliehen, hatte Spencer mit ausgearbeitet, also war er nutzlos. Die Folgen waren erschütternd. Alle zur Verfügung stehenden Mittel, über die Spencer Bescheid wusste, galten fortan als Risiko, einschließlich der Schutzhäuser.
Adam strich sich durch die Haare, um die Spannung in seinem Nacken zu lösen.
»Ich begreife das nicht.« Custo wirkte niedergeschlagen, als er zu demselben Schluss kam. »Wieso werfen sie nicht einfach eine Bombe auf uns ab? Wieso machen sie nicht das Gebäude dem Boden gleich und töten uns alle auf einmal.«
»Willst du wissen, was ich denke?«
Custo zuckte mit den Schultern, als sei ohnehin alles egal.
»Es geht um Talia. Sie wollen nicht ihr Leben aufs Spiel setzen, ansonsten hätten sie auf den Wagen geschossen. Sie wollen sie lebend. Vermutlich sind sie seit Monaten hinter ihr her, in Phoenix haben sie ihre Spur verloren und sie in Segue wiedergefunden. Verdammt, wahrscheinlich hat Spencer ihnen gesagt, dass sie hier ist. Das ist sechs Tage her. Mehr als genug Zeit, um den Lagerraum auszuräumen und einen Angriff zu organisieren.«
Adam blickte zu Talia. Es ging hier um sie. Es gab keinen Grund, darum herumzureden.
»Ihr solltet mich als Tausch anbieten, damit sie euch unbehelligt gehen lassen«, schlug sie vor. Ihre Stimme klang erstaunlich gelassen, seltsam gefühllos.
»Nein«, stieß Adam hervor. Custo schüttelte ebenfalls den Kopf, spannte jedoch die Kiefermuskeln an.
»Du hast es selbst gesagt«, insistierte Talia. »Sie werden mich sehr wahrscheinlich nicht töten, ansonsten hätten sie es bereits getan.«
»Verstehst du denn nicht?«, zischte Adam mit zusammengebissenen Zähnen.
»Das ist das Kollektiv – sie werden uns so oder so umbringen. Sie wollen dich kontrollieren. Dann ist alle Hoffnung verloren.« Das durfte für eine Frau wie sie, die über einen beachtlichen Intellekt verfügte, nicht
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