Zwilling verzweifelt gesucht
einen kleinen Jungen, der hartnäckig versucht, bei seiner Mutter eine Ladung Süßigkeiten herauszuleiern. Jana und Jule könnten echt noch eine ganze Menge bei ihm lernen … nur gut, dass sie nicht hier sind!
Allmählich wird die Sache aber doch ziemlich langweilig. Wie lange soll ich hier stehen? Womöglich ist das Mädchen im obersten Stockwerk ins Café gegangen und sitzt dort ganz gemütlich herum, während wir uns hier die Füße in den Bauch stehen.
Aber dann sehe ich sie. Erst bin ich mir unsicher – wie viele Mädchen in roten Jacken, mit blauen Rucksäcken, mit dunklen – dunklen! – langen Haaren kann es in einem Kaufhaus geben? Aber als ihr Blick auf mich fällt, ist alles klar. Sie erschrickt ganz deutlich, bleibt stehen, sieht sich nach einem Fluchtweg um. Aber da stelle ich mich vor sie.
„ Was soll das alles? “ , frage ich.
„ Was? “ Sie bemüht sich, unschuldig zu klingen.
„ Warum machst du das? Du weißt doch genau, dass du nicht meine Zwillingsschwester bist. “
Sie zuckt mit den Achseln, sieht mir nicht in die Augen.
„ Gehen wir raus? “ , fragt sie schließlich. „ Hier ist es so laut. “
Ich nicke, bleibe aber dicht hinter ihr, damit sie nicht abhauen kann. Andererseits, was wäre so schlimm daran? Sie ist nicht meine Zwillingsschwester. Sie ist nur irgendein Mädchen, das in meinem Leben keine Rolle spielen wird. Sie kann ruhig dahin verschwinden, wo sie hergekommen ist.
Als wir vor den Elefantenfüßen angekommen sind, bleiben wir stehen.
„ Also “ , fange ich wieder an, „ warum machst du das? Findest du das lustig? “
„ Nein. “ Mara schüttelt den Kopf. Sie flüstert nur noch. „ Es ist nur … ich suche eben auch jemanden. “
„ Du suchst auch deine Schwester? “
„ Nein, das nicht, nur … “
„ Warte, ich muss meine Freundin anrufen. “
Ich lasse Mara nicht aus den Augen, während ich Alisia anklingle und ihr Bescheid sage. Als ich das Handy wieder einstecke, sieht mich Mara immer noch hilflos an.
„ Ich wohne noch nicht lange hier “ , sagt sie.
„ Ja, und? “
„ Ich habe niemanden. “
„ Hast du keine Eltern? “
„ Doch, doch. Klar. Ich habe auch zwei Brüder. Kleinere Brü der. Aber ich habe niemanden – weißt du, keine Freunde oder so. “
„ Na, das ist kein Wunder “ , sage ich böse. Das bereue ich sofort, denn Mara sackt richtig in sich zusammen.
„ Es tut mir leid “ , sagt sie leise. „ Ich wollte einfach jemanden kennenlernen. Ein Mädchen in meinem Alter. Ich dachte, wenn du deine Schwester suchst, dann bist du auch so allein wie ich. Es hätte ja sein können, dass wir gut zusammenpassen. Aber du hast ja deine Freundin. “
In diesem Moment taucht Alisia auf. Ihre Augen blitzen.
„ Da ist sie ja! Also weißt du, das war von dir ganz schön daneben! “
Ich schüttle den Kopf. Ich möchte nicht, dass Alisia jetzt auch noch auf Mara herumhackt.
„ Ist schon geklärt. War ein Missverständnis. “
Alisia runzelt die Stirn.
„ Und jetzt? “
„ Jetzt gehen wir nach Hause, oder? “
Alisia überlegt, dann nickt sie. „ Okay. “
„ War eine blöde Idee “ , sage ich noch zu Mara. „ Wir sehen uns doch überhaupt nicht ähnlich. “
„ Ich weiß. “ Mara seufzt. „ Deswegen habe ich mich dann doch nicht getraut. “ Sie zögert. „ Aber es hätte doch sein können, dass wir uns trotzdem vertragen. Auch wenn wir gar keine Schwestern sind. “
Sie lächelt. Sie ist längst nicht so selbstsicher wie Alisia, eher schüchtern und verlegen wie ich selbst manchmal.
„ Tun wir aber nicht “ , sage ich. „ Leider. “
Sie nickt.
Ich zögere einen Moment lang. Warum fällt es mir schwer, Mara einfach stehen zu lassen? Sie hat mich ganz eiskalt an der Nase herumgeführt. Ich habe nichts mit ihr zu tun und sie nicht mit mir. Sie ist einfach nur ein Mädchen, eins von den vielen, die hier in der Stadt, in diesem Land, auf dieser Erde unterwegs sind, und ich werde nie mehr etwas von ihr hören und sehen. Interessiert mich ja auch überhaupt nicht.
„ Also tschüs “ , sage ich und drehe mich um.
„ Tschüs “ , flüstert Mara.
Ich kann es kaum hören, denn gerade nähert sich wieder eine Straßenbahn. Alisia verabschiedet sich überhaupt nicht von Mara. Sie trottet einfach neben mir her. Wir schweigen eine ganze Weile. Schließlich, schon drei Ampelkreuzungen weiter, fragt Alisia: „ Schlimm? “
„ Was meinst du? “
„ Bist du sehr enttäuscht? “
„ Weiß nicht “ , antworte
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