Zwischen Krieg und Terror
Zeitungen verweisen auf 1953, als US-Agenten Gelder an schahtreue Demonstranten verteilten, die gegen Mohammad Mossadegh, den gewählten Ministerpräsidenten, protestierten, nachdem dieser die Ãlindustrie im Iran verstaatlicht hatte. Bis heute haben viele Iraner nicht vergessen, dass der Schah nach seiner Rückkehr die Verstaatlichung wieder aufhob.
Einige der Demonstranten in Teheran wünschen sich tatsächlich ein Eingreifen der US-Truppen wie im Irak. Unter den Gegnern des islamischen Systems wachsen im Frühjahr 2003 Hoffnungen, dass die Einheiten der »Koalition der Willigen« unter dem US-Präsidenten Bush ihren Vormarsch bis Teheran fortsetzen und nach dem Sturz Saddam Husseins auch gleich die religiöse Herrschaft im Iran beseitigen. Diese Menschen fühlen sich gestärkt, wenn US-Präsident Bush sie direkt mit einer Erklärung unterstützt: »Ich würdige diese mutigen Seelen, die sich für die Freiheit im Iran aussprechen. Sie müssen wissen, dass Amerika entschlossen an ihrer Seite steht.« 22 Doch die Demonstranten in Teheran stehen auf verlorenem Posten, denn der staatliche Druck auf sie nimmt zu.
Polizeieinheiten und Revolutionswächter verhindern Proteste, Schlägerbanden verprügeln Oppositionelle und Passanten, die sie dafür halten, gleich mit. Geheimpolizisten verhaften vermeintlich Verdächtige. Einer der konservativen Ayatollahs, Mohammad Yazdi, fordert in einer Freitagspredigt, »Randalierer« zu verurteilen, weil sie »Krieg gegen Gott führen«. Damit meint er allerdings nicht die Horden, die über oppositionelle Studenten herfallen, sondern die Demonstranten. Der Prediger war immerhin schon einmal oberster Richter des Landes, und somit wissen seine Zuhörer, dass er für die Verhängung von Todesstrafen plädiert. Für die paramilitärischen Verbände sind die Demonstranten, gegen die sie eingesetzt werden, die Kräfte »des groÃen Satans«. »Wir werden das islamische System bis zum letzten Blutstropfen verteidigen«, lautet das Motto dieser von den Konservativen gestellten Ordnungskräfte.
Am 9. Juli 2003 werden Journalisten offiziell aufgefordert, nicht mehr über Demonstrationen und Unruhen zu berichten. Konservative innerhalb der Sicherheitsorganisationen und im Justizapparat versuchen systematisch, den Reformflügel zu schwächen. Die Polizei Teherans scheint auf die veränderte Situation gut vorbereitet zu sein. Wie Ninjas durchkämmen mobile Einheiten auf ihren Motorrädern die Stadt. Bereits ihr martialisches Aussehen flöÃt Furcht ein, wobei sie gleichzeitig auch immer das Gespräch mit Demonstranten suchen. Die Gemüter sollen sich nicht zu sehr erhitzen und eine Atmosphäre von Aggression und Gewaltbereitschaft gar nicht erst aufkommen.
Mitglieder der regimetreuen Banden, deren Treiben geduldet wird, üben ihren Terror verdeckt aus. Sie zerkratzen oder besprühen den Lack von Autos, deren Fahrer als Zeichen des Protests Staus provozieren und Hupkonzerte initiieren. Viele dieser Schläger sind Mitglieder der gut organisierten paramilitärischen Gruppen. Einige dieser Freiwilligenverbände werden von den Revolutionswächtern trainiert und ausgerüstet.
In solch einer Stimmung geraten selbst Feiern nach Siegen von FuÃballmannschaften zu Politik-Happenings. An derartigen spontanen Freudenfesten sind die unterschiedlichsten Bevölkerungskreise beteiligt. Studenten, die wegen der Bevormundung an den Universitäten aufgebracht sind und den Präsidenten kritisieren, weil er seine Reformversprechen nicht verwirklicht, kommen genauso wie Jugendliche, die nur feiern wollen. Vereinzelt nutzen Frustrierte die Situation für Ausschreitungen. Und schlieÃlich machen auch diejenigen mit, die auf die USA setzen und sich für Iran den »American Way of Life« wünschen. Zwar verursachen vor allem jugendliche Autofahrer gerne Staus auf den groÃen StraÃen, aber wenn die Bürgerkriegspolizei auftaucht und islamische Eiferer im Anmarsch sind, machen sie sich rasch aus dem Staub. Denn mit der Staatsmacht anlegen wollen sich nur die wenigsten.
Trotz aller Unzufriedenheit setzt die junge Generation auf das System der staatlichen Versorgung. Auch in den Augen ihrer Gegner ist die Regierung verantwortlich für die Lösung von Problemen. So bereit Jugendliche auch sind, staatliche Vorgaben mit Doppelmoral und passivem Widerstand zu
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