Zwischen Krieg und Terror
seiner Geschichte mehrfach von ausländischen Mächten dominiert wurde. Bis heute wird den USA unterstellt, die riesigen Ãlreserven Irans unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Mit ihrem Auftreten in Afghanistan und Irak nähren die USA in der iranischen Bevölkerung Zweifel, ob es ihnen tatsächlich um den Aufbau von Demokratie in den Nachbarländern geht. Auch diese Besorgnis nutzt Ahmadinejad, um sich mit einem bedingungslosen Festhalten an der Atomtechnologie und einem Eintreten für die Armen einen entscheidenden Stimmenanteil zu sichern. Die Anhänger des Teheraner Bürgermeisters vertrauen dessem Wahlversprechen, er werde sich nicht ausländischen Interessen unterwerfen.
Bereits Stunden nach seinem Wahlsieg bleibt vom Image der Bescheidenheit wenig übrig. Eine seiner Aussagen auf einer Pressekonferenz will ich zuerst gar nicht glauben. Er maÃt sich eine Ausnahmestellung an: »Viele, die für mich gestimmt haben, taten dies mit der Absicht, einen religiösen Akt zu begehen. Sie haben es getan, um Gott näher zu kommen.« Der Wahlgewinner demonstriert seine neue Macht und lässt seinen Leuten freie Hand. Leibwächter prügeln vor dem Saal, in dem er auftritt, auf Polizisten ein, weil diese kritisieren, dass Ahmadinejad und seine Gefolgschaft ihre Wagen in einer Halteverbotszone abstellen.
1 Zl. im Absatz oben eingebr.
Das will gar nicht zur Atmosphäre einer Feier passen, die Bewohner in dem Stadtteil organisieren, in dem Khatamis Nachfolger wohnt. Diese Menschen haben ein anderes Bild von ihrem neuen Präsidenten. Sie sprechen davon, dass es künftig im Land weniger Bestechung und mehr Gerechtigkeit geben werde. Vor dem Haus des Achtundvierzigjährigen haben sich keine religiösen Fanatiker versammelt, die Leute, die ihm zujubeln, erhoffen sich ein besseres Leben und für das Land soziale Gerechtigkeit. Sie sehen Ahmadinejad völlig anders als das Ausland. Für sie ist er der gebildete Politiker, der sogar an einer Teheraner Hochschule unterrichtet hat. Seine Wahlkampfhelfer nennen ihn »Doktor«. Damit wird der Unterschied zwischen ihm und dem Mann auf der StraÃe hervorgehoben. So wird im Präsidentschaftswahlkampf der akademische Hintergrund Ahmadinejads bewusst betont.
Bei Nachbarn und Anhängern zeigen Vorwürfe, die aus den USA kommen, keinerlei Wirkung. In US-Zeitungen steht zu lesen, Ahmadinejad sei einer der Drahtzieher der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran am 4. November 1979 gewesen. 24 Zwar wollen ihn ehemalige Geiseln, die 444 Tage im Iran gefangen gehalten wurden, erkannt haben, aber der Mann, der auf einem Foto, das um die Welt geht, gezeigt wird, ist gar nicht Ahmadinejad. Zu sehen ist ein Botschaftsbesetzer, der kurz nach dem Sturm auf die US-Vertretung verhaftet wurde, weil er Mitglied einer regierungsfeindlichen Untergrundgruppe gewesen sein soll. Ahmadinejad hatte sogar die Erstürmung des Gebäudes abgelehnt: Auf der Sitzung, bei der Vertreter verschiedener Teheraner Universitäten sich für diese Aktion entschieden, stimmte er dagegen. Der neue Präsident nimmt zu den Vorwürfen nicht direkt Stellung. Aber er reagiert mit auÃenpolitischen Attacken auf die internationale Ablehnung, die ihm entgegenschlägt.
Es ist anfangs auch eine Flucht in die AuÃenpolitik, denn Kritiker Ahmadinejads im Iran werfen ihm zunehmend Unfähigkeit in der Wirtschaftspolitik vor. Mit seiner Ankündigung, »Spielern« an der Börse das Handwerk zu legen und die Korruption in der Wirtschaft zu beseitigen, hat er Investoren verunsichert und eine massive Kapitalflucht ausgelöst. Die mehrmals täglich von Teheran nach Dubai verkehrenden Flugzeuge sind ausgebucht von Passagieren, die ihr Geld in dem arabischen Emirat anlegen wollen. Dollarbeträge in Milliardenhöhe würden ins Ausland geschafft, berichten die iranischen Zeitungen. Der allgemeine Vertrauensverlust in das islamische System wird durch die zunehmende Konfrontation mit dem Westen in der Atomkrise gesteigert. Hoffnungen auf eine Fortsetzung des Wirtschaftsbooms schwinden. Mehr und mehr Iraner ziehen sich aus Politik und Wirtschaft zurück und warten ab.
Mit den auÃenpolitischen Attacken versucht Ahmadinejad nicht nur, sich als selbstbewussten Staatsmann zu positionieren, sondern auch den akuten Problemen der iranischen Wirtschaft auszuweichen, die sich im Gefolge seiner Wahl ergeben haben. Sein provokatives Auftreten
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