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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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neckischen Accessoires unterlaufen sie den Kopftuchzwang. Und nur ein leerer Geldbeutel zeigt dem Kaufrausch seine Grenzen auf.
    Aber an einem großen Teil der Bevölkerung rollt die Konsumwelle vorbei. Mindestens fünfzehn Prozent der Iraner sind arbeitslos, und während die Region Teheran boomt, stagnieren vor allem die Grenzprovinzen. Mit gewaltigen Subventionen wird dort einer dramatischen Verarmung entgegengewirkt. So nutzt der Staat die in Rekordhöhe sprudelnden Öleinnahmen auch, um die Preise verschiedenster Konsumgüter niedrig zu halten. Waschmittel werden jährlich mit hundertdreißig Millionen Euro subventioniert, Zucker mit vierhundert Millionen Euro unterstützt, und billiges Benzin lässt sich die Regierung gleich vier Milliarden Euro kosten.

Ahmadinejad als Antwort
    Sechsundzwanzig Jahre nach dem Sturz des Schahs kann Revolutionsführer Khamenei ein hohes Wirtschaftswachstum, die Ausschaltung der Opposition und die Festigung des islamischen Systems in der Erfolgsbilanz der Islamischen Republik verbuchen. Aber zwischen den USA und Iran besteht immer noch offene Feindschaft, die als Schatten über der weiteren Entwicklung der Islamischen Republik lastet. Unterschiedliche Versuche, das Verhältnis zu Washington zu verbessern, sind gescheitert. Der Pragmatiker Rafsanjani wurde von der US-Regierung genauso zurückgewiesen wie sein mehr zu Reformen tendierender, wenn auch unentschlossener Nachfolger Khatami.
    Statt die vorsichtig eingeleitete Umwandlung in eine Zivilgesellschaft zu fördern, verstärkt US-Präsident Bush seine Angriffe auf die Regierung in Teheran und arbeitet dort den Gegnern der Öffnung des Landes in die Hände. Diese nutzen das Scheitern der Reformer und die politische Lethargie, um ihre Stellung zu untermauern. Mit dem Sieg Mahmoud Ahmadinejads bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2005 erringen sie ihren bisher größten Erfolg. Auch viele Iraner haben nicht damit gerechnet, dass der weitgehend unbekannte Bürgermeister von Teheran die notwendigen Stimmen erhält. Doch der wird von den Revolutionswächtern und den paramilitärischen Verbänden unterstützt. Es sind mehrere Millionen Wähler, die von diesen Revolutionsorganen mobilisiert werden können. Sie dürften ihm im ersten Wahlgang die für den Einzug in die Stichwahl entscheidenden Stimmen eingebracht haben. Hinzu kommt, dass wenige Stunden vor dem ersten Wahlgang aus Ghom, dem Zentrum der schiitischen Geistlichkeit, Anweisungen an Freitagsprediger in ganz Iran gefaxt werden, zur Wahl Ahmadinejads aufzurufen. Auch das trägt zu dem Überraschungsresultat von neunzehn Prozent der Stimmen und damit zum für die Stichwahl entscheidenden zweiten Platz hinter Rafsanjani bei.
    Mehdi Karrubi, ein Geistlicher aus dem Reformlager und ehemaliger Parlamentspräsident, verliert im ersten Wahlgang knapp gegen Ahmadinejad und erklärt empört seinen Rücktritt aus allen staatlichen Gremien. Indirekt beschuldigt er in einem Brief an Revolutionsführer Khamenei die Revolutionswächter, die Wahl für eine Art Putsch genutzt zu haben: »Falls einige Freunde bei den Revolutionswächtern und den Paramilitärs an die Macht kommen sollen, ist es das Beste, ihnen diese Verantwortung direkt zu übertragen. Sie müssen dann nicht auf Kosten des Rufes der Revolutionswächter versuchen, irgendjemanden auf illegale Weise an die Macht zu bringen.«
    In Teheran kursieren Gerüchte, bei der Wahl sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Sicherlich kann das Eingreifen der Revolutionsorgane Ahmadinejad die entscheidenden Stimmen gebracht haben. Doch letztlich sichern ihm zwei Faktoren den Sieg. Aus Politikverdrossenheit und Enttäuschung über die Unfähigkeit der Reformer nehmen viele Gegner der religiösen Herrschaft ihr Wahlrecht überhaupt nicht wahr. Zusammen mit den überzeugten Nichtwählern, deren Zahl bei etwa fünfundzwanzig Prozent liegen dürfte, sind das nahezu fünfzig Prozent der Wahlberechtigten. Da Hashemi Rafsanjani nicht einmal einen kleinen Teil der zum Wahlboykott Entschlossenen auf seine Seite ziehen kann, fehlen ihm bei der Stichwahl wichtige Stimmen. Dies gewinnt entscheidende Bedeutung, weil Ahmadinejad mit seinen Parolen von der nationalen Würde Irans und Verteidigung der Selbstständigkeit des Landes selbst unter den Reformwählern Wirkung erzielt.
    Viele Iraner haben nicht vergessen, dass ihr Land in

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