Zwischen Licht und Dunkel
Tag. Oh Schreck! Nicht nur, dass die Zeit mehr als drängte, aber waren überhaupt alle Zutaten auf Lager? Natürlich nicht. Umgekehrt kam es vor, dass fix und fertige Leckerbissen im Kühlraum vergeblich auf ihre Abholung warteten, da sie erst für den nächsten Tag beziehungsweise die nächste Woche auf dem Plan standen oder abbestellt worden waren.
In der Schule, an der eine Freundin arbeitete, wurden die Lehrer gebeten, sich umgehend für das gewünschte Kantinen-Mittagessen der Folgewoche einzutragen, obwohl der für die Entscheidung maßgebliche Speiseplan noch nicht aushing. Als eine Pizzakette im Vorfeld mit ihrem Eröffnungsangebot in der neuen Filiale warb, befand sich besagte Verkaufsstelle zum angekündigten Stichtag noch im Bau und weit entfernt von jeglicher Pizzabäckerei. Eines Vormittags erreichte uns per E-Mail der Termin für das bevorstehende Hauseigentümer-Treffen. Es sollte zwei Stunden später beginnen.
Von Planung – insbesondere der mittel- und langfristigen – möglichst absehen. Statt dessen jedes Vorhaben spontan, unerschrocken und idealerweise im allerletzten Augenblick angehen. Dem dabei zu erwartenden Chaos und Verspätungen mit Gelassenheit ins Auge sehen. So ließe sich nach meiner persönlichen und manchmal qualvollen Erfahrung das ungeschriebene Gesetz der isländischen Planungslosigkeit sehr trefflich formulieren. Ob diese Einstellung daher kommt, dass die Insel handlich und überschaubar ist? Dass die Wege kurz sind? Dass man meistens jemanden kennt, der jemanden kennt, der einem weiterhelfen kann und wird? Mich jedenfalls kostete diese Mentalität wahrlich schon Nerven. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ich bin nun einmal kein Isländer. Zum Trost nehme ich dann mein altes Merianheft über Island von 1972 zur Hand. Es wusste schon damals zu berichten, dass die Isländer an die Dinge eher gefühlsmäßig als rational herangehen.
Teil der isländischen (Un)planungstaktik ist es, sich grundsätzlich immer erst im allerletzten Moment für etwas anzumelden. Damit geht freilich auch die Erkenntnis einher, dass frühzeitige Ankündigungen zwecklos sind, da in einem solchen Falle die meisten den angedachten Termin mit ziemlicher Sicherheit in Vergessenheit geraten würden. Die ungewöhnliche Idee, bereits eine Woche vor der angesetzten Betriebsfeier die Anmeldeliste zu schließen, erwies sich als echter Flop. Keiner dachte auch nur daran, sich „jetzt schon“ einzutragen. Der Veranstalter sah sich zu massiven Anmelde-Anreizen gezwungen, senkte den ursprünglichen Eintrittspreis und pries die verlockenden Gewinne der Tombola an. Das wirkte dann einigermaßen. Ein andermal hatte sich die bislang nur mäßig gefüllte Anmeldeliste für einen Abend mit Essen, Tanz und Unterhaltung am Veranstaltungstag dermaßen überfüllt, dass der angemietete Saal letztendlich hoffnungslos zu klein war. Denn absagen konnte man ja auch niemandem. Tische und Stühle standen so eng, dass man gut daran tat, seinen zugewiesenen Sitzplatz nie zu verlassen. Das Essen reichte nur für die Hälfte der Gäste und an den angekündigten Tanz war aus Platzmangel ohnehin nicht mehr zu denken. Interessanterweise beschwerte sich keiner darüber, zumindest nicht öffentlich. Die Situation wurde schlicht und einfach als gegeben hingenommen. Ich für meinen Teil war schwer enttäuscht, da ich mich auf den Abend so gefreut hatte. Noch ein paar Beispiele: Eine mir bekannte Schottin hatte einen Tanzabend nach Sitte ihrer alten Heimat organisiert – ein echtes Novum auf Island! Doch sie sah sich schon vor dem finanziellen Ruin, weil sie im Vorverkauf nicht einmal zehn Tickets losgeworden war. Letztendlich wurde die Bude voll und der Abend ein Erfolg. Als mein Stefán in seiner Funktion als Lehrer im Osten der Insel unterrichten sollte und selbst der Flug dorthin schon gebucht war, wurde der gesamte Kurs einen halben Tag vor dem Termin wegen zu geringer Teilnahme abgesagt. Umgekehrt gehen die Isländer natürlich davon aus, dass es in Sachen Anmeldefrist außerhalb der eigenen Gefilde genauso entspannt läuft wie in den eigenen Reihen. Eine isländische Firma wollte einen Informationsstand auf der Frankfurter Messe reservieren lassen. Dem Geschäftsmann konnte man nur noch die enttäuschende Auskunft geben, dass alle Standplätze schon seit Monaten vergeben wären, da besagte Messe ja bereits in einer Woche beginnen würde.
Aber wie gesagt: Þetta reddast ! Selbst wenn der organisatorische Knoten erst
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