Zwischen Licht und Dunkel
Gewissens davon ausgehen, dass ihre Islandkollegen wenigstens eine andere „Nordlandsprache“ beherrschen.
Wenn der Isländer dagegen auf Deutsch oder Englisch loslegt, hört sich das mitunter sehr putzig an. So wie wir Deutschen oft über das englische „th“ stolpern und es einfach nicht originalgetreu hinkriegen, bleiben isländische Zungen regelmäßig an dem „sch“- beziehungsweise „tsch“-Laut hängen. „Bitte snallen Sie sich an“ gibt die Stewardess im Flugzeug durch. Aus dem Gletscher wird ein „Gletser“ und das englische much ein „muts“. Für mein sportinteressiertes Inselvolk sind auch Formel 1-Rennfahrer Michael „Sumacher“ und Fußballprofi Bastian „Sweinsteiger“ gute Bekannte. Bald beherrschte auch ich das typische Isländer-Englisch einwandfrei und spreche es sogar selbst manchmal, wenn ich von Isländisch nahtlos auf Englisch übergehe.
Ich stelle immer wieder fest, dass Isländer und Deutsche oftmals genau die gleichen Fehlertypen begehen, wenn sie die Sprache des jeweils anderen reden. Falsche Artikel, Wortendungen oder Vergangenheitsformen. „Ich habe die Zugfahrt genießt“ meinte deshalb Stefán, als er mich in Nürnberg besuchen kam. Immerhin bekommt er ein derartiges Erlebnis auf seiner Eisenbahn-freien Heimatinsel nicht geboten. Einfach herrlich, solche Wortschöpfungen! Umgekehrt biete sicher auch ich ausreichend Material zum Amüsieren mit meinen sprachlichen Verrenkungen. Hauptsache wir verstehen uns.
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1 Siehe Kapitel „Wie gesund is(s)t der Isländer wirklich?“
Das kriegen wir schon hin!
Þetta reddast – „das lässt sich retten“! Das kriegen wir schon hin! Es wird sich eine Lösung finden! Dieses traditionelle isländische Lebensmotto hat enorme Auswirkungen auf das tägliche Leben hier. Derjenige, dem Planung und Organisation, Pünktlichkeit und Zeitsinn wichtig sind, wird sich folglich immer wieder am Rande der persönlichen Verzweiflung wiederfinden. Bekanntlich wird dem Deutschen in derartigen Angelegenheiten bisweilen ein Zuviel nachgesagt, sicher nicht ganz zu Unrecht. Im Gegensatz dazu scheint mir beim Isländer für diese Talente nicht einmal entsprechendes genetisches Material angelegt zu sein. Lass es dir gesagt sein, lieber Leser: Hier ruht der vielleicht sicherste deutsch-isländische Konfliktstoff, und das nicht nur in privater Beziehung.
Als ich in der Konferenzabteilung eines großen Hotels arbeitete, sollte um vierzehn Uhr die Jahreshauptversammlung eines größeren isländischen Unternehmens beginnen. Im Laufe des Vormittags hatte sich die ursprünglich erwartete Teilnehmerzahl kontinuierlich erhöht. Dank der nachträglich eingefügten Bestuhlung wirkte der eigentlich stattliche Vortragsraum jetzt etwas beengt. Die ersten der erwarteten zweihundert Gäste tröpfelten zehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn ein. Der Referent erschien zwei Minuten vor dem angepeilten Startschuss. Er sollte die Versammlung mit einer Power- Point-Präsentation eröffnen. Da vergessen worden war, den hierfür notwendigen Computer zu bestellen, fehlte er jetzt im Saal, war jedoch dringend notwendig. So wurden alle verfügbaren Haustechniker auf den Plan gerufen, die mit vereinten Kräften schnellstmöglich die nötige Verbindung herstellten. Mit angemessener Verspätung konnte die Versammlung dann beginnen. Während der Eröffnungsrede waren wir Konferenzmitarbeiter vollauf damit beschäftigt, weitere Sitzmöbel für die zahlreichen Nachzügler in den Raum zu integrieren. Hatte endlich jeder einen Platz gefunden, konnten wir erst einmal aufatmen. Derweil hatte das Küchenpersonal eine Zitterpartie zu meistern. Denn die beim Bäcker (nach)bestellten Gebäckteilchen waren noch nicht im Hause. In wenigen Minuten sollten sie jedoch auf dem Kaffeetisch stehen. Unmittelbar vor der avisierten Pause wurden die süßen Bissen angeliefert und tatsächlich standen sie rechtzeitig auf dem Buffet, bevor die Zuhörerschar aus dem Vorlesungssaal quoll. Aber nur deshalb, weil sich durch eine Fügung des Schicksals die ersehnte Verschnaufpause verzögert hatte. Ich hatte es doch gleich gesagt: Þetta reddast !
Vor meiner Zeit im Konferenzservice, als ich in der Kalten Küche desselben Hotels beschäftigt war, entdeckte einmal am Sonntagabend eine Kollegin rein zufällig eine Bestellung auf dem Schreibtisch des schon seit Tagen krank geschriebenen Einkäufers: Eintausend kleine, feine und schön dekorierte Cocktail- Häppchen für den nächsten
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