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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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Getauft wird nicht unbedingt in einer Kirche. Auf Wunsch kommt der Pfarrer beispielsweise auch ins Haus und führt die Zeremonie, sagen wir einmal, im Wohnzimmer durch.
    Bis ein Kind seinen Namen hat, und das sollte spätestens ein halbes Jahr nach der Geburt sein, bleibt es von Amts wegen lediglich s túlka „Mädchen“ oder drengur „Bub“. „Stúlka Stefánsdóttir” stand denn auch auf der ersten Ausfertigung von Annas internationaler Geburtsurkunde. Eine behördliche Glanzleistung eigentlich, würde diese Zeile doch jeden außerhalb Islands zu der Annahme verleiten, unser Mädchen hieße Stúlka. Auf ein Neues also. Uns hatte vorher niemand gesagt, dass zunächst ein offizieller Antrag auf Eintrag des gewünschten Namens zu stellen ist, dem beide Elternteile per Unterschrift zustimmen müssen. Und siehe da, es klappte und unsere Anna Karlotta war durch Eintrag ins Nationalregister amtlich.
    Sollte mich jemand im Telefonbuch nachschlagen wollen, wird er unter „S“ wie Spitzbart vergeblich suchen. Seine Bemühungen werden ihn dabei eher zu den Stefáns führen, die alleine in Reykjavík etwa vier Seiten einnehmen. Die übermächtigen Jóns und Guðrúns, die „Meiers“ und „Müllers“ Islands sozusagen, belegen alleine in der Landeshauptstadt jeweils an die zwölf Telefonbuchseiten. Beide sind auf Platz eins der Statistik der beliebtesten isländischen Namen seit Jahren ungeschlagen. Ich dagegen stehe mit nur zirka fünfzehn anderen Ursulas und Úrsúlas – so die isländische Schreibweise – unter „U“. Jeder ist nach dem Anfangsbuchstaben seines Vornamens in die Seiten eingereiht. Dabei ist die gesamte Island- Bevölkerung in einem einzigen Band versammelt. Er hat die Ausmaße des Telefonbuchs einer mittelgroßen deutschen Stadt, die Gelben Seiten inklusive. Eine Städtevorwahl gibt es auf der Insel nicht.
    Eine bezeichnende Tradition im täglichen Umgang miteinander ergibt sich fast von selbst: Man redet sich generell mit Vornamen an und obendrein mit „du“. Sicher, auch auf englisch wird ge„you“zt, es gibt ja keine Alternative. Im Isländischen dagegen existiert in der Grammatik sehr wohl auch die formelle „Sie“- Form, ein Relikt aus den Zeiten der dänischen Kolonialherrschaft und daher nicht original isländisch. Sie wird aber so selten benutzt, dass sie mir bis heute nicht geläufig ist. Der Arzt begrüßt mich mit einem „Hallo, ich bin Jónas“, meinen ehemaligen Chef nenne ich Hákon und der Student redet seinen Hochschulprofessor selbstverständlich auch mit Vornamen an. Ein „Sie“ wäre gleichbedeutend mit einem „ich kann dich nicht leiden, du bist mein Gegner“. Heutzutage würde es hier niemandem einfallen, zum Beispiel den eigenen Premierminister oder Staatspräsidenten zu siezen. Mindestens eine Ausnahme von der Du-Regel gibt es allerdings: offenbar werden Mahnschreiben vom Finanzamt stets mit der formellen Anrede verschickt.
    Ich persönlich gerate höchstens dann ins Stocken, wenn ich eine andere deutsche Person kennenlerne, die ebenfalls auf Island lebt und älter ist als ich. In Deutschland wäre dann im Normalfall ein Sie fällig. Aber wie auf Island damit umgehen? Du oder Sie? Meistens setzt sich bald von selbst die bekannte und geschätzte legere Anredeform durch. Im Gegenzug muss ich inzwischen aufpassen, dass mir in Deutschland kein Du herausrutscht, das fehl am Platz wäre. Dort weiß man meistens noch nicht, dass es sich auch respektvoll duzen lässt.
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    1     Siehe Kapitel „Das kriegen wir schon hin!“.

Weltberühmt auf Island
    Hat nicht jeder schon einmal das gewisse Prickeln empfunden bei der Vorstellung, einer echten, lebenden Berühmtheit gegenüberzustehen? Hat sich nicht jeder irgendwann schon einmal zumindest für einen klitzekleinen Moment vorgestellt, wie sich das Berühmtsein wohl anfühlt? Wer solche Träume wahrwerden lassen will, sollte sein Glück einmal auf Island versuchen. Denn hier ist es nur eine Frage der Zeit, einen Prominenten zu treffen – und obendrein selbst einer zu werden.
    „Weißt du, wen ich heute getroffen habe!“ fordert Stefán immer wieder meine Phantasie heraus. „Einen alten Schulkameraden? Deinen Onkel? Die erste große Liebe? Eine ehemalige Miss World?“ Auch das gemeinsame Fernsehen wird zum munteren Rateund Suchspiel: „Schau, mit diesem Firmendirektor war ich in der Schulklasse.“ „Der Nachrichtensprecher ist der Nachbar von Mama.“ Zu Beginn meiner Islandzeit konnten mich

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