Zwischen Licht und Dunkel
„Schloss Bellevue“ Islands. Mit ihm saß ich schon im Flugzeug und im Opernhaus. Seine Amtsvorgängerin Vigdís Finnbogadóttir traf ich im Supermarkt, ebenso den ehemaligen Notenbankdirektor Davíð Oddsson. Islands junge Kultusministerin Katrín Jakobsdóttir treffe ich regelmäßig im Kindergarten beim Nachwuchs- Abliefern. Die Sängerin Björk sah ich in der Stadt und im Kino. Mit dem Schauspieler Ingvar Eggert Sigurðsson 2 saß ich im „Heißen Topf“ im Schwimmbad. Bei dieser Gelegenheit durfte ich feststellen, dass er auch im nassen Zustand keine schlechte Figur abgibt. Das muss wohl an den bestechenden Augen liegen. Dieser barrierefreie Umgang miteinander ist völlig normal. Und unvorstellbar anderswo auf der Welt.
Einmal hatte Stefán als freiberuflicher Journalist – übrigens nur eines seiner vielfältigen Betätigungsfelder – Politiker, Schriftsteller, Fernsehmoderatoren und andere islandweit bekannte Personen für eine Broschüre zu interviewen und zu fotografieren. Um den ersten Kontakt mit ihnen aufzunehmen, rief er sie direkt unter ihren privaten Rufnummern an, die er aus dem Telefonbuch herausgesucht hatte. Es war dabei auch nicht weiter schlimm, wenn der Anruf zufällig auf den Feierabend oder Sonntag fiel. Schwupps, war der Wunschtermin notiert. So einfach kann das Leben sein.
Folglich wird keinem Isländer vor Staunen der Mund offen stehenbleiben, wenn er mit eigenen Augen die Berühmtheiten der Heimatinsel sieht. Trotzdem liefern sie ausreichend Stoff für die Klatschpresse, die auch hier nicht fehlen darf. Wer wurde mit wem wo gesichtet, wer bekommt von wem ein Kind und so weiter. Besonders die Wochenzeitschrift Séð og Heyrt – „Gesehen & Gehört“ – weiß darüber bestens Bescheid. Wenn allerdings internationale Berühmtheiten ihre Füße auf isländischen Boden setzen – was sie oft und gerne tun, dann kribbelt es auch den Insulaner in der Magengegend. Die Kunde von einem solchen Ereignis löst im Kreise der Island-Medien stets große Geschäftigkeit aus, beleben derartige Neuigkeiten doch die Mischung aus allzu oft negativen Weltnachrichten und islandinternen Eilmeldungen wie „Katze nach drei Jahren zum Besitzer zurückgekehrt“, „50 Jahre alter Baum umgefallen“, „Bullenkalb auf die Welt gekommen“ oder „Die Lämmer wurden Kolbrún und Pálmi genannt”. Schlagzeilen, die es regelmäßig auf die Titelseiten schaffen. Platz fand dort auch die Unverfrorenheit eines Nürnberger Arztes, für den Toilettenbesuch in seiner Praxis Geld zu verlangen. Wenn dann irgendwann unter der Zeitungsrubrik „Weißt du die Antwort?“ nach dem Namen des Frisörs von Eiríkur Hauksson gefragt wird, des Mannes, der im Eurovision Song Contest 2007 in Helsinki für Island startete, wird es wirklich höchste Zeit, dass wieder eine echte Celebrity Island ihren Besuch abstattet. Wie groß war der Lachs, den Gitarrist Eric Clapton an der Angel hatte? Und kaum tauchte der Schauspieler Jude Law an der Seite einer isländischen Dame auf, munkelte man schon etwas vom neuen Schwiegersohn Islands.
Dabei ist die persönliche Begegnung mit „echten“ Stars keineswegs nur den Auserwählten vorbehalten. Meine Arbeit im Hotel, erst in der Küche und dann in der Konferenzabteilung, hatte in dieser Beziehung bisweilen seinen besonderen Reiz. Ich richtete das Frühstück für die schwedische Königsfamilie her, servierte dem Mann mit dem „Day-O“-Ruf Harry Belafonte ein Omelett, grüßte James Bond- Darsteller Roger Moore und hielt mit Led-Zeppelin- Rocklegende Robert Plant ein Schwätzchen über den damals gerade neu gewählten Papst Benedikt XVI. Mit Robert bin ich außerdem photographisch verewigt, ebenso mit dem indischen Präsidenten. Ich bilde mir nichts darauf ein, aber nett ist es irgendwie doch. In Deutschland wäre mir das alles – zumal so gehäuft – nicht passiert.
Es bleibt auch nicht aus, dass meine eigene Familie ab und zu medienpräsent ist. Stefán gab schon mehrfach Interviews für Radio und Fernsehen. Seine Zeitungsartikel und besonders Leserbriefe sind traditionsgemäß mit einem Autoren-Bild geschmückt. Ich selbst hatte es nur ein paar Monate nach meiner Niederlassung auf Island ohne mein aktives Zutun geschafft, in einem Buch über Reykjavíks Restaurants zu erscheinen. Gruppenbild des Küchenpersonals. Alle schauen ernst, nur ich grinse über beide Ohren, weil ich die Anweisung zum Möglichst-Ernst-Schauen nicht verstanden hatte. Isländisch konnte ich damals noch
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