Zwischen Licht und Dunkel
der Infobroschüre „Nahrung von Elfen auf Island“ zu entnehmen, die eine gewisse Erla Stefánsdóttir zusammengestellt hat. 1 Ahh … die Elfenbeauftragte! Es braucht keine gesteigerte Islandbegeisterung, um von Erla gehört zu haben. Denn ihre Meinung zählt. Und wenn sie davon überzeugt ist, dass ausgerechnet in diesem einen Felsbrocken Elfen wohnen, der für den Bau der geplanten Straße zu beseitigen wäre, dann lässt man die Finger lieber von dem Unterfangen. Vorsichtshalber, denn man kann ja nie wissen … Wie viele Arbeitsunfälle und defekte Gerätschaften hätten sich womöglich schon vermeiden lassen, wenn man von Anfang an besser auf Erla gehört hätte …
So hört und liest man es immer wieder. Tatsächlich hat die Bezeichnung „Elfenbeauftragte“ aber ein deutscher Künstler erfunden, der sich Island und die dort heimischen Elfen zum besonderen Anliegen auserkoren hat. In Wirklichkeit gibt es hier gar keine offizielle Elfenbeauftragte. Und aus sicherer Quelle weiß ich, dass das isländische Straßenbauamt keinesfalls Erla ständig zu Rate zieht. Im Gegenteil, über all die Anfragen aus Deutschland, die diesbezüglich immer wieder eingehen, amüsiert man sich dort köstlich.
Aber dass Erla eine äußerst geschäftstüchtige Frau ist, steht außer Frage. So stammt zum Beispiel auch die Landkarte der verborgenen Welten aus ihrer Feder, mit deren Hilfe selbst ungeübte Augen die Behausungen von übernatürlichen Wesen ausmachen können. Wer alles über sie lernen möchte, ist als Student an Islands Álfaskólinn , der Elfenschule in Reykjavík bestens aufgehoben. Schon nach einem halben Tag lässt sich ein entsprechendes Zertifikat nach Hause tragen – wenn das kein Reiseandenken der besonderen Art ist!
Keine Frage: Hier haben wir es mit einem Stück Kulturgut zu tun, das sich zweifellos auch ziemlich gut auf den Aushängeschildern der Tourismusbranche macht. Kein Wunder, dass in nichtisländischen Köpfen die Vorstellung Wurzeln schlug, fast jeder Isländer stünde in irgendeiner Form in Verbindung mit Elfen, Trollen oder anderen wunderlichen Wesen.
Huldufólk – die Verborgenen. Umfragen zufolge sollen etwa 10 % aller Isländer von ihrer Existenz felsenfest überzeugt sein. Ein Teil der Insulaner mag Elfen & Co zwar für reinen Humbug halten, aber insgesamt glauben doch recht viele mehr oder weniger fest daran. Oder sagen wir besser: Sie hüten sich wenigstens davor, die Existenz von übernatürlichen Wesen abzustreiten. Mein Stefán ist da keine Ausnahme. Vor allem in seiner Funktion als Reiseleiter wird er immer wieder mit dem Fragenklassiker konfrontiert: „Glaubst du an Elfen? Kennst du jemanden, der sie sehen kann?“ Nein, ihm selbst sei diese Erfahrung bislang verwehrt geblieben, aber seine Großmutter hätte mehr gesehen als andere, Geister zum Beispiel.
Jetzt wollte ich die Angelegenheit doch tiefer ergründen und machte mich auf die Suche nach einem, der es wissen muss. Ich fand ihn in Jónas, einem waschechten Isländer, der seit einigen Jahren mit großem Erfolg gleichermaßen Urlauber und Einheimische zu Fuß durch Reykjavík führt – unter anderem auf den Spuren von Verborgenen, von Geistern, von Übernatürlichem. Die Fakten, die seinen fantastischen Geschichten zugrunde liegen, hat er sorgfältigst recherchiert.
Wir treffen uns in einem Café und eines ist mir auf Anhieb klar: Von heller Elfennahrung und bunten Getränken wird Jónas mir nicht erzählen. Trotzdem ist ihm das Thema huldufólk ein echtes Anliegen. Es geht ihm dabei um den respektvollen Umgang mit den Mächten der Natur, wie ich bald heraushören kann. Er nickt bestätigend, als ich von den Seelen der Bäume spreche. Offensichtlich ist ihm in seiner Mission das empfindliche Gleichgewicht zwischen dem spirituellen Leben und umweltbezogenen Fragen in einer modernen Gesellschaft ein besonderes Anliegen: „Schau dir doch bloß das Riesenkraftwerk Kárahnjúkar an! Die Bauern der Gegend dort konnten noch so oft betonen, dass die Hochlandflächen, die jetzt unter Wasser stehen, seit Urzeiten die Heimat von huldufólk sind. Aber auf ihren Protest wurde nicht gehört. Es ist traurig zu sehen, wie der alte Volksglaube der Moderne geopfert wird.“
Ich stimme meinem persönlichen Elfengelehrten voll und ganz zu, denn ich persönlich sehe den Glauben an huldufólk vor folgendem Hintergrund: Auf Island zeigt sich die Macht der Natur an allen Ecken und Enden. Es dampft, brodelt und zischt. Eine Insel, Surtsey, wird
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